Bis anhin war Stampflehmbau aufwendige Handarbeit. Die neue Technik der ERNE Holzbau AG ändert das: Mithilfe eines Roboters können – analog zum Holzbau – komplette Wandelemente aus Stampflehm in grösseren Stückzahlen vorfertigt werden. Das eröffnet in Kombination mit vorgefertigten Holzelementen neue Möglichkeiten. Die Probe aufs Exempel hat ERNE kürzlich mit 350 Stampflehmelementen für den firmeneigenen Neubau gemacht.

Standort des zukünftigen ERNE-Bürogebäudes in Stein (AG); Vorfertigung Mithilfe eines Roboters; Lagerung der 350 Wandelemente aus Lehm

Bilder: ERNE AG Holzbau

Die Idee Lehm zu verwenden, passt auch sonst zu ERNE: Das Holzbauunternehmen ist immer wieder auf der Suche nach Materialien, die Masse in die Gebäude bringen. Aufgrund der hauseigenen Nachhaltigkeitsstrategie passt ein Baustoff, der kaum graue Energie enthält und sich problemlos wiederverwenden lässt, perfekt.

Am Anfang stand ein schlechter Baugrund, am Ende das digitale Revival eines jahrtausendealten Baustoffs, dazwischen lagen mutige Entscheide, hochmotivierte Mitarbeitende und der Wille, es zu schaffen. So könnte die Geschichte der robotergefertigten Stampflehmelemente für das im Bau befindliche Bürogebäude der ERNE Holzbau im aargauischen Stein kurz zusammengefasst werden.

Im Detail geht die Erzählung so: Die Zahl der Mitarbeitenden bei ERNE wächst und damit auch der Bedarf nach Büroarbeitsflächen. Direkt neben dem heutigen Administrationsgebäude entsteht in Stein derzeit ein dreigeschossiger Neubau in Holz-Hybridbauweise mit zusätzlichen Flächen für rund hundert Arbeitsplätze. Erste Sondierungen für den Baugrund zeigten 2022 schwierige Verhältnisse für Aushub und Fundation, spornten die Verantwortlichen aber zu neuen Lösungen an: «Der lehmerdige, nichtorganische Material war bautechnisch zwar mühsam, eignete sich aber für Lehmbauwände», sagt Michael Liechti, Vize-Direktor bei ERNE Holzbau. So entstand die Idee, aus dem Nachteil einen Vorteil zu machen und das Material zu nutzen, um daraus einen Teil der Gebäudewände zu erstellen. Da ERNE bei seinen eigenen Projekten gerne Grenzen auslotet, sollten es nicht einfach ein paar sekundäre und dekorative Wände im Bürobereich sein, sondern je ein über alle drei Geschosse laufender, nicht tragender Treppen- und Sanitärkern mit rund elf Metern Höhe.

Von null auf Vorfertigung in sechs Wochen

Als der richtige Mix aus Erde, Wasser und Kies für die Stampflehmwände mithilfe von Probemischungen gefunden war, wurde das Material während des Aushubs in der Grube gemischt und auf dem benachbarten Firmengelände abgelagert. Dieser Schritt erfolgte in Zusammenarbeit mit den Schwesterfirmen ERNE Bauunternehmung sowie Kies + Beton Münchwilen. Es blieb die Frage, wie die rund 350 Wandelemente aus Lehm innert kurze Zeit hergestellt werden sollten. Handarbeit schied als zu aufwendig aus. Damit war der Ehrgeiz der Mitarbeitenden geweckt: Analog zur teilautomatisierten Vorfertigung von Holzbauelementen sollte ein Roboter die monotonen und schweren Arbeitsschritte übERNEhmen. Die Firmenleitung liess sich vom Elan anstecken und gab grünes Licht. In einer bestehenden Zelthalle auf dem Werkareal wurde eine Produktionslinie eingerichtet, ein gebrauchter Industrieroboter beschafft und mit einem Stampfwerkzeug modifiziert. Parallel dazu entwickelten die Mitarbeitenden einen Einfülltrichter aus Stahl, um das Material für die Lehmschichten mit dem Bagger einfach dosieren zu können. «Alle legten sich mächtig ins Zeug und schoben Sonderschichten», sagt Tobias Bucher, Marktentwickler bei ERNE. Das Engagement wurde belohnt: Sechs Wochen später konnte das erste vom Roboter gefertigte Stampflehmelement in der benachbarten Garage zum Trocknen aufgestellt werden. «Damit war der Weg frei für die serielle Produktion», sagt Bucher.

Parallele Fertigung

Die Fertigungsstrasse in der Halle umfasste drei nebeneinanderliegende Kojen, hinter denen der Roboter auf Schienen hin- und herfahren konnte. Damit war es möglich, parallel an drei Elementen zu arbeiten. In einem ersten Schritt füllten die Mitarbeitenden mithilfe des Spezialtrichters und eines Elektrobaggers mehrere Zentimeter Lehm in eine eigens dafür gebaute Schalung. Anschliessend wurde diese Schicht mit dem Roboter verdichtet. Diese wiederholte man, bis die gewünschte Elementhöhe erreicht war. Parallel dazu erfolgte in benachbarten Kojen die Befüllung der nächsten Schalungen. Nach der Fertigung wurden alle fertigen Elemente für den rund achtwöchigen Trocknungsprozess in die Einstellhalle gebracht. «Mit diesem Ablauf war es möglich, täglich während zwölf Stunden Elemente zu fertigen», sagt Tobias Bucher. Wie beim Holzbau erhielt jedes Element einen QR-Code, der Informationen zur Produktion und zum Einbauort liefert. Die maximale Dimension der Elemente wurde in Tests ermittelt. Bewährt hat sich schliesslich eine Höhe von 1,2 Metern, eine Länge von drei Metern und eine Dicke von gut 30 Zentimetern. Die grössten Elemente wogen bis zu 2.7 Tonnen und waren nach der Trocknung genügend stabil, um mit dem Kran an Gurten hängend ins Gebäude eingebracht zu werden. Dort stellten die Mitarbeitenden die am Computer dreidimensional vorgeplanten Elemente wie überdimensionale Legosteine neben- sowie aufeinander und verfugten sie anschliessend mit Lehmmörtel. Pro Geschoss schliesst ein aus Beton gegossener Kranz die Lehmwände ab. So werden sie zusammengehalten, gleichzeitig können damit Unebenheiten ausgeglichen werden.

Innovative Bauherrschaften gesucht

Für ERNE sind die zwei Kerne im hauseigenen Gebäude erst der Anfang. Gedanken haben sich die hausinternen Fachleute beispielsweise schon zur Herstellung gemacht: Im Idealfall könnten die Elemente analog zum Projekt in Stein direkt vor Ort produziert und so Transportkilometer gespart werden. Die Elemente für den Eigengebrauch haben je nur knapp 500 Meter Transportweg hinter sich, und die Produktionsstrasse liesse sich gut anderswo aufstellen. «Wir haben viel Erfahrung gesammelt und sind bereits an der Weiterentwicklung unserer Lehmbaukompetenz», sagt Projektleiter Tobias Bucher. Möglich wären etwa Brüstungen aus Lehmelementen, das Material könnte aber auch in Decken zum Einsatz kommen. «Wir sind bereit, jetzt braucht es nur noch Kunden, die Lust haben mit uns neue Wege zu gehen», freut sich Tobias Bucher von ERNE. Anschauungsmaterial dafür haben die Kunden bei ERNE in Stein künftig genügend: Ab Sommer 2023 können die Lehmelementwände im neuen Gebäude besichtigt werden, ebenso wie verschiedene Innovationen im Holzbaubereich.

Alle legten sich mächtig ins Zeug und schoben Sonderschichten. Das Engagement wurde belohnt: Sechs Wochen später konnte das erste vom Roboter gefertigte Stampflehmelement in der benachbarten Garage zum Trocknen aufgestellt werden. Damit war der Weg frei für die serielle Produktion.

Tobias Bucher, Marktentwickler ERNE

Video: ERNE AG Holzbau

Ähnliche Artikel

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.