Bürobauten sind für Bauherren und Architektinnen eigentlich ein Standardbusiness. Nicht so beim im Bau befindlichen Hortus-Projekt in Allschwil. Hier wird ganz vieles anders gemacht mit dem Ziel, die für den Bau benötigte Energie innert 30 Jahren zu amortisieren. Ein Schlüsselelement dazu sind Deckenelemente in kombinierter Holz- und Lehmbauweise.
Fotos: Blumer Lehmann und Reto Westermann
Visualisierungen und Pläne: Herzog & de Meuron
Neben dem rund 50 mal 20 Meter grossen Zelt, in dem die Elemente befüllt werden, gehören zwei ähnlich grosse Zelte für die Lagerung von Elementen dazu, die aus dem Werk in Gossau angeliefert wurden oder bereits befüllt und für den Einbau bereit sind. Direkt ans Fertigungszelt schliesst ein viertes Zelt an, in dem die Lehmmischung fertig gemischt, befeuchtet und zwei Tage gelagert wird.
Ohrenbetäubender Lärm, Staub, Steine, Sand, Erde – wer sich die letzte Fertigungsstufe der grösstenteils aus Holz bestehenden Deckenelemente für das Hortus-Gebäude in Allschwil bei Basel anschaut, wähnt sich im falschen Film. Was ebenfalls aussergewöhnlich ist: Der Finish findet nicht in den Werkhallen der Holzbaufirma Blumer Lehmann in Gossau statt, sondern nur 50 Meter von der Baustelle entfernt in einem grossen Zelt. Dort werden die aus der Ostschweiz angelieferten Holzdeckenelemente mit Lehm befüllt, der grösstenteils direkt aus dem Aushub vor Ort stammt. Das Material verbessert durch sein Gewicht die Schalldämmung der Elemente, erhöht den Brandwiderstand und sorgt zugleich für den Feuchtausgleich in den Räumen. «Der Gegensatz zur sehr leisen und sauberen Fertigung bei uns im Werk ist krass», sagt Bettina Baggenstos, die bei Blumer Lehmann für die Koordination zwischen Holz- und Lehmbau verantwortlich ist. Das Unternehmen hat sich für den Hortus-Auftrag mit dem Unternehmen Lehm Ton Erde von Martin Rauch aus dem vorarlbergischen Schlins zusammengetan – dem wohl erfahrensten Stampflehmbauer in Europa. Zehn Mitarbeitende von Rauch füllen im Zelt neben der Baustelle in Allschwil den Lehm, der grösstenteils aus dem Gebäudeaushub gewonnen wurde, in Deckenelemente. Anschliessend verdichten sie das Naturmaterial mit Druckluft-Stampfern und Rüttelplatten. Fertig befüllt werden die 2,8 mal 5,6 Meter grossen und 3.4 Tonnen schweren Elemente gewendet, auf Modullagerböcken gestapelt und zur Baustelle gebracht.
Auf Herz und Nieren geprüfte Konstruktion
Die ungewohnte Schlussfertigung der Deckenelemente ist typisch für das Hortus-Gebäude. Denn hier ist fast nichts so, wie bei anderen Bürogebäuden gleicher Grösse. Senn Ressources als Bauherrschaft und die Architekten – der Entwurf stammt von Herzog & de Meuron – haben es sich auf die Fahne geschrieben, dass das Gebäude die für die Erstellung benötigte Energie innert 30 Jahren amortisiert. Im Klartext bedeutet das: Möglichst viele nachwachsende Rohstoffe, minimaler Materialeinsatz, Verzicht auf aufwendige Oberflächen, ein hoher Anteil an wiederverwendbaren Bauteilen, ein tiefer Energieverbrauch im Betrieb und ein Überschuss bei der Stromproduktion durch die hauseigene Photovoltaikanlage. Mehrere Jahre lang wurde am Konzept und an der Materialisierung getüftelt, um die gestellten Anforderungen erfüllen zu können. Herzstück des Konzepts ist der Rohbau, der zu grossen Teilen aus massivem Holz und Stampflehm gefertigt wird. Konstruktiv besteht der Bau aus Stützen und darauf liegenden Deckenelementen. Für die Stützen kommt mehrheitlich Buchen-Stabschichtholz aus Schweizer Produktion zur Anwendung. Die rund 800 Deckenelemente bestehen an den kurzen Seiten ebenfalls aus Buchenträgern und längsseitig aus massivem Fichtenholz. Als Aussteifung dient eine Dreischichtplatte auf der Oberseite. Zwischen den Längsträgern wird die in fertig gestampftem Zustand rund zwölf Zentimeter dicke Lehmschicht eingebracht. Die Längsträger sind oben gegen die Platte hin leicht angeschrägt. Der Stampflehm, der von unten her sichtbar bleibt, bildet im Querschnitt eine leichte Bogenform und verkeilt sich dank der Anschrägung. Die Konstruktion wurde vorab auf Herz und Nieren geprüft – unter anderem mit einem Brandtest.
Im April 2024 wird der gesamte Rohbau des Hortus-Gebäudes stehen. Hortus steht kurz für «House of Research, Technology, Utopia and Sustainability». Anschliessend wird der Bau mit schwarzen Holzlatten verkleidet und innen ausgebaut. Bezugsbereit sollen die rund 10 000 Quadratmeter Bürofläche, die auf vier Geschosse verteilt ist, im Frühjahr 2025 sein. Im Erdgeschoss befinden sich neben einem Restaurant gemeinsam nutzbare Sitzungsräume. Diese sind Teil des speziellen Nutzungskonzepts, dank dem die künftigen Nutzerinnen und Nutzer die eigene Bürofläche minimieren können. Neben Sitzungsräumen und dem Restaurant, in dem auch gearbeitet werden darf, runden zwei gemeinschaftliche Kaffeezonen pro Etage das Angebot ab. In Kombination mit Homeoffice soll sich so der Platzbedarf pro Mitarbeitendem gemäss Bauherrschaft fast halbieren lassen – ein weiterer Beitrag des Hortus zur Nachhaltigkeit.
Steile Lernkurve bei allen Beteiligten
Die ersten knapp hundert kombinierten Holz-Lehm-Deckenmodule haben unterdessen die Schlussfertigung in Allschwil durchlaufen und wurden vor Ort verbaut. Rund 700 werden noch folgen. Der Platzbedarf dafür ist eindrücklich: Rund 6000 Quadratmeter werden benötigt. «Zum Glück war in so kurzer Distanz zur Baustelle eine passende Fläche verfügbar», sagt Koordinatorin Bettina Baggenstos. Neben dem rund 50 mal 20 Meter grossen Zelt, in dem die Elemente befüllt werden, gehören zwei ähnlich grosse Zelte für die Lagerung von Elementen dazu, die aus dem Werk in Gossau angeliefert wurden oder bereits befüllt und für den Einbau bereit sind. Direkt ans Fertigungszelt schliesst ein viertes Zelt an, in dem die Lehmmischung fertig gemischt, befeuchtet und zwei Tage gelagert wird. Mauken nennen die Fachleute diese Lagerzeit, während der fertig angemischte Lehm seine optimale Fertigungsqualität erreicht. Vom Lagerort aus gelangt die Mischung über ein Förderband in zwei Befüllmaschinen. Diese wurden extra entwickelt, um die Elemente gleichmässig beschicken zu können. Das Rohmaterial für den ganzen Prozess lagert mit grossen Blachen zugedeckt in verschiedenen Chargen draussen neben den Zelten. Drei Viertel der Bestandteile – Lehm, lehmiger Schotter und sandiger Schotter – stammen aus der Baugrube. Nur Mergel als vierte Komponente wird aus der Region zugeführt. Nach mehr als hundert Elementen ist bei der Fertigung in Allschwil langsam Routine eingekehrt. «Wir haben sowohl im Holzbau, als auch im Lehmbereich viel dazu gelernt. Vor allem die Logistik ist nicht zu unterschätzen», sagt Baggenstos. So umfasst alleine das Rohmaterial für den Lehm 3000 Tonnen. Gefordert waren aber auch die versierten Holzbauspezialisten von Blumer Lehmann: «Die 5,4 Meter langen Balken der Deckenelemente aus Massivholz waren eine richtige Knacknuss», sagt Baggenstos. Zum einen beträgt die übliche Schnittlänge der hauseigenen Sägerei fünf Meter, zum anderen musste das Massivholz so gewählt werden, dass es sich möglichst wenig verdrehen kann – die festgelegte Toleranz beträgt gerade einmal zwei Millimeter. Fordernd war letztlich auch die möglichst optimale Ausnutzung der Baumstämme: Die Resten aus dem Zuschnitt werden zu Latten für die Fassadenverkleidung des Hortus und zu Kanteln für die Fensterfertigung verarbeitet – auch hier gilt: Beim Hortus ist fast alles anders als bei anderen Projekten.
Hortus steht kurz für «House of Research, Technology, Utopia and Sustainability»
Projektdaten
Bürogebäude Hortus Allschwil BL, 2025
Hegenheimermattweg/Kiesstrasse, Allschwil BL
Bauherrin: Senn Resources AG, St. Gallen
Architektur: Herzog & de Meuron, Basel
Bauingenieur: ZPF Ingenieure, Basel
Holzbau: Blumer Lehmann AG, Gossau
Lehmbau: ARGE Blumer Lehmann AG, Gossau und Lehm Ton Erde, Schlins (A)
www.hortus.ch
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