In Riehen bei Basel wurden im Februar 2021 die ersten 9 von 43 preisgünstigen Wohnungen fertiggestellt. Dank der engen Zusammenarbeit zwischen Architekt und Holzbauer konnten die Möglichkeiten des Modulbaus maximal ausgenutzt werden. Entstanden sind Wohnungen, die trotz knapp bemessener Fläche grosszügig daherkommen.

Wohnbauten Hirtenweg, Basel. Architektur: Harry Gugger Studio

Fotos: Daisuke Hirabayashi

Um die Bewohnerinnen und Bewohner in den bestehenden Bauten, die direkt angrenzen, möglichst wenig zu stören, wollten wir die Bauzeit minimal halten. Dank Modulbau war dies möglich – das Aufrichten mit dem Kran dauerte nur sechs Tage.

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Mietwohnungen fürs kleinere Portemonnaie sind auch in der Stadt Basel immer seltener zu finden. Die grosse Nachfrage und die teilweise Gentrifizierung einst preiswerter Wohnquartiere sind zwei der Gründe dafür. Um das Angebot an zahlbaren Wohnungen zu erhöhen, hat der Kanton Baselstadt deshalb 2019 das Wohnbauprogramm «1000+» ins Leben gerufen. Bis 2035 soll die öffentliche Hand, ergänzend zu ihren bestehenden 2000 Wohnungen, mindestens 1000 zusätzliche Einheiten im preisgünstigen Segment erstellen. Ziel ist es, Mieten anbieten zu können, die 15 bis 20 Prozent unter dem durchschnittlichen Angebot liegen. Erreicht werden soll dies unter anderem durch tiefe Erstellungskosten und kompakte Wohnungsgrundrisse. Der erste Neubau des Programms wurde im Februar am Hirtenweg in Riehen, einer Gemeinde des Kantons Basel-Stadt, bezogen. Das dreigeschossige Gebäude bietet Platz für neun Wohnungen mit 2,5 und 4,5 Zimmern. Die städtische Wohnsiedlung am Hirtenweg umfasste bis anhin fünf Mehrfamilienhäuser aus den 1950er-Jahren. Im Rahmen der anstehenden Sanierung werden zwei davon rückgebaut und durch drei grössere Neubauten ersetzt. Bei den anderen drei Gebäuden erfolgt eine Sanierung im bewohnten Zustand. Die Erstellung der Ersatzneubauten erfolgt, wie im Wettbwerb vorgesehen, in drei Etappen, sodass die bisherigen Bewohnerinnen und Bewohner der Altbauten jeweils nahtlos in ein neues Gebäude umziehen können. Das zweite neue Gebäude wird bis November dieses Jahres fertig und das dritte folgt dann im nächsten Jahr. Durch die Verdichtung der bestehenden Siedlung entstehen 43 neue Wohnungen – nur gerade 12 müssen dafür abgerissen werden.

Knacknuss Deckenstärke

Den Gesamtleistungswettbewerb für die drei Neubauten gewann die Holzbaufirma Erne AG aus Laufenburg zusammen mit dem Basler Architekturbüro Harry Gugger Studio. «Das Projekt gefiel uns vor allem wegen des überzeugenden städtebaulichen und architektonischen Ausdrucks», sagt Karl Sowa, Portfoliomanager bei Immobilien Basel-Stadt. Pluspunkte aus Sicht der Auftraggeberin waren beispielsweise die geschickte Anordnung der Baukörper auf dem Grundstück, die eine problemlose Etappierung ermöglicht, die sorgfältige äussere Gestaltung der Bauten sowie die effizienten Grundrisse, die fast ohne interne Verkehrsflächen auskommen sowie die kurze Bauzeit. Möglich ist dies – das erste Gebäude wurde innert acht Monaten erstellt – dank der Holzmodulbauweise. Die 14,15 Meter langen und 4,15 Meter breiten Einheiten wurden möglichst weitgehend im Werk vorgefertigt und in sechs Tagen vor Ort zusammengebaut. Alle Installationsarbeiten, ein Teil des Innenausbaus sowie die komplette Ausstattung der Badezimmer erfolgten im Werk. Auf der Baustelle wurden im Innern nur noch die Unterlagsböden gegossen, die Parkettböden verlegt, die bereits werkseitig tapezierten Wände gestrichen, die Küchenzeilen installiert und alle Türen eingehängt. Aussen waren in erster Linie Anschlussarbeiten im Fassaden- und Dachbereich notwendig. Die Module wurden in enger Zusammenarbeit zwischen den Architekten und der Erne AG entwickelt. Eine Knacknuss dabei waren die Decken- und Bodenstärken. Diese summieren sich beim Aufeinanderstellen der Module und ergeben in der Regel eine grössere Gesamtdicke als bei klassischen Massivbauten. Denn sowohl Decke als Boden müssen so stark konstruiert sein, dass sie genügend Stabilität für den Transport bieten. «Hier haben wir um jeden Zentimeter gerungen», sagt Architekt Harry Gugger. Schliesslich sei es gelungen, den gesamten Boden- und Deckenaufbau auf 46 Zentimeter zu reduzieren.

Ein Hauch Skandinavien

Dank dem minimierten Deckenaufbau haben die Neubauten dieselbe vertikale Gliederung und Geschosshöhen wie die benachbarten Altbauten. Im Gegensatz zu diesen erfolgt die Erschliessung aber über ein aussenliegendes, offenes Treppenhaus und Laubengänge. Diese bilden zugleich einen halbprivaten Aussenraum. Um die Verkehrsfläche innerhalb der Wohnungen minimal zu halten, ist sie nach dem Prinzip des Durchwohnens konzipiert. Alle Räume gehen fast fliessend ineinander über, was teilweise durch doppelflügelige Türen unterstrichen wird. Stehen diese offen, entstehen Blickverbindungen durch die ganze Wohnung hindurch, und die eigentlich relativ kleinen Räume wirken trotzdem grosszügig. Wer eine Wohnung betritt, landet direkt, weil platzsparend in der Wohnküche. An diese schliesst als zentraler Raum das Wohnzimmer an, von dem aus die restlichen Zimmer, der Nassbereich und der Balkon erschlossen werden. Die Ausstattung mit Parkettböden und weissen Wänden sowie einer ebenfalls weissen Küche ist einfach gehalten und erinnert an skandinavische Wohnbauten. Die Wohnflächen umfassen bei einer 4,5-Zimmer-Wohnung 86 Quadratmeter und bei den Einheiten mit 2,5 Zimmern 60 Quadratmeter. Das Ergebnis gefällt: «Die erste Etappe wurde sowohl von uns als auch von den Mieterinnen und Mietern sehr positiv aufgenommen», sagt Karl Sowa von Immobilien Basel-Stadt. Und auch finanziell stimmt das Ergebnis: So kostet die 4,5-Zimmer-Wohnung gerade mal 1475 Franken pro Monat plus Nebenkosten, bei 2,5 Zimmern sind es 1035 Franken.
Im Gegensatz zu anderen Modulbauten zeigen die Neubauten am Hirtenweg ihre Konstruktionsweise gegen aussen. Das Raster der Fassaden zeichnet die Formate der einzelnen Module nach und verleiht dem Äusseren zugleich eine filigrane Struktur. Ein auffälliges gestalterisches Element sind die am oberen Ende gebogenen Fassadenstützen aus Brettschichtholz. Sie erinnern an klassische Säulen mit Kapitellen und verleihen den Gebäuden eine eigenständige Identität. Unterstützt wird diese durch die kräftig dunkelrote Farbgebung, die – wie der Innenausbau – nordisches Flair aufkommen lässt.

PROJEKTDATEN
Wohnbauten Hirtenweg, Basel, 2021

Bauherrin: Immmobilien Basel-Stadt, Basel
Architektur: Harry Gugger Studio, Basel
Auftragsart: Gesamtleistungswettbewerb
Totalunternehmer: Erne Holzbau AG, Laufenburg
Bauingenieur: Gruner AG, Basel
Holzbau: Erne AG, Laufenburg

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