Im trendigen Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg ist 2017 mit «Woodie» in nur neun Monaten das weltgrösste Wohnbauprojekt in Holz-Modulbauweise entstanden. 371 Studentenwohnungen aus Vollholz fügen sich auf sechs Geschossen aus je 20 Quadratmeter grossen, vorgefertigten Modulen zusammen. Am 1. Oktober sind die ersten Bewohner eingezogen.

So soll es nach Fertigstellung ausschauen in Wilhelmsburg in Hamburg. Das Foto der Fassade zeigt bereits die Realisierung.

Bild: ©Sauerbruch Hutton / Rendering: ON3STUDIO GMBH

Inspiriert durch Container-Stapel

Das Design des neuen, jungen Quartiers, in dem Hamburger Studenten ihre Bleibe finden, ist an das sogenannte «Universal Design Prinzip» angelehnt. Das bedeutet, dass ein Produkt so ausgestaltet wird, dass es im besten Fall gleich mehrere Nutzungsmöglichkeiten zulässt. Im Fall des Studentenwohnheims «Woodie» wurde die Idee so umgesetzt, dass jedes Appartement für die spezifischen Bedürfnisse der Studenten und in einer modularen Bauweise realisiert wurde. Anschliessend mussten die Wohnmodule dann nur noch vor Ort installiert werden – das heisst, dass sie so austauschbar sind wie die unzähligen Container, die sich im Hamburger Hafen stapeln. «Wie Lego für Erwachsene», soll ein Polier auf der Baustelle dieses Prinzip treffend beschrieben haben. Holz-Modul für Holz-Modul wurde in Wilhelmsburg in eine Fassung aus Beton implementiert – so lange, bis die 371 Studentenapartments an Ort und Stelle sassen.

Pioniere aller Art erobern derzeit Wilhelmsburg, die grösste Flussinsel Europas. Die 35 Quadratkilometer grosse Elbinsel, vor 600 Jahren besiedelt, war ursprünglich ein Naturidyll aus Sümpfen und Wäldern. Mit der Industrialisierung und Hamburgs Aufstieg zum Welthafen wurde Wilhelmsburg immer lauter und schmutziger. Die Hamburger auf der nördlichen Elbseite rümpften die Nase über das ärmliche Quartier der Hafenarbeiter, zu denen sich später Gastarbeiter und Migranten gesellten. Erst seit der Jahrtausendwende ist Wilhelmsburg aus seinem Dornröschenschlaf erwacht. Studenten und Künstler entdeckten den Ort. Vor allem das pittoreske Reiherstiegviertel mit seinen Gründerzeithäusern, Cafés, Märkten und seinem Multikulti-Charme entwickelte sich zum beliebten Wohnort von Hipstern und jungen Familien. Und spätestens mit der Internationalen Bauausstellung 2013 und der Internationalen Gartenschau wurde Wilhelmsburg ein gefragter Stadtteil, in dem viel gute und besondere Architektur entstand, die insbesondere dem Gedanken der Nachhaltigkeit verpflichtet ist.

Bestens durchdachte Holzmodule

Die Wohneinheiten im «Woodie» wurden vom Berliner Büro Sauerbruch Hutton Architekten so entwickelt, dass sich Studenten in ihnen rundum wohl fühlen. So sind in den 20 Quadratmeter grossen Modulen, die übrigens aus Massivholz bestehen, bereits ein Duschbad samt Spiegel, ein Einbauschrank, ein Schreibtisch und ein Bett plus eine kleine Pantry fixfertig montiert. Die Möblierung der 371 Appartements aus hochwertigem Vollholz überzeugt dabei durch clevere und zeitgemäss gestaltete Details wie zum Beispiel einen ausklappbaren Küchentisch. Ausserdem beinhaltet sie sämtliche wichtigen Funktionen, so dass sich die Bewohner voll und ganz auf ihr Studium konzentrieren können.

Apropos Holz: Verbaut wurden rund 3’800 Kubikmeter Nadelhölzer – das Fichten-, Tannen- und Lärchenholz stammt dabei aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern in der Steiermark. Die Verbindung der positiven ökologischen Merkmale, der guten Baueigenschaften und insbesondere auch des angenehmen Raumgefühls überzeugten die Architekten so sehr, dass für sie von Anfang an klar war, dass Holz beim Neubau «Woodie» eine wichtige Rolle spielen sollte. Holz ist ein natürlicher Baustoff, wächst nach und bindet dabei CO2 aus der Atmosphäre. Es ist leicht und sehr stabil, es isoliert gut, es ist ein behagliches, warmes Material und es weist eine schöne Oberfläche auf. Holz atmet und reguliert auf natürliche Weise das Raumklima und die Luftfeuchtigkeit. Studien belegen sogar, dass Menschen in Räumen aus Holz entspannter sind und ihr Herz deshalb auch langsamer schlägt – was für Studenten natürlich bestens passt! Dass eine mehrgeschossige Immobilie mit 371 Appartements aber nicht zu 100% aus Holz bestehen kann, versteht sich von selbst. So ist die tragende Sockelkonstruktion im Erdgeschoss aus Stahlbeton gefertigt, um die Lasten der sechs Etagen aus Holzcontainern – insgesamt 1’786 Tonnen Holz – abzufangen und in die Fundamente zu leiten. Die Treppenhäuser bestehen ebenfalls aus Stahlbeton und dienen sowohl zur Aussteifung als auch dazu, die Windlasten abzufangen.

Bewohner aus der ganzen Welt schätzen die entspannte Wohnatmosphäre

Durch den sehr hohen Grad der Vorfertigung und die Serienproduktion war es im Fall von «Woodie» möglich, die Bauzeit drastisch zu verkürzen – gerade mal neun Monate dauerte es, bis die Wohnmodule standen – und gleichzeitig konnte eine sehr hohe Qualität im Ausbau erreicht werden. Die konstruktiven Holzwände aus zehn bis zwölf Zentimeter dickem Massivholz bleiben sichtbar, so dass die Wohnmodule eine angenehme Wohnatmosphäre schaffen. Ausserdem funktioniert der Eingangsbereich des Hauses, das sogenannte «Woodietorium», wie ein gemeinsames Wohnzimmer der Bewohner und bündelt gleich mehrere Funktionen unter einem Dach – hier kann man mit Freunden Tischkicker spielen, gemeinsam Veranstaltungen wie Konzerte oder Fussballspiele verfolgen oder einfach gemütlich ein Buch aus der Tauschbibliothek lesen. Und tagsüber treffen hier die Studenten auch den Scout, der ihnen bei Verwaltungsfragen zur Seite steht. Kein Wunder, gefällt’s auch Torsten, einem Studenten, mit dem wir sprechen konnten: «Woodie ist schön gemacht und macht einem Studenten wie mir das Leben ein gutes Stück angenehmer – wo sonst komme ich für so wenig Geld zu einer tollen Wohnung, Möbel, Wasser, Heizung, Strom und W-Lan inklusive?»

«Im Fall des Studentenwohnheims „Woodie“ wurde die Idee so umgesetzt, dass jedes Appartements für die spezifischen Bedürfnisse der Studenten und in einer modularen Bauweise realisiert wurde.»

Alle Module sind am Platz, und die letzten Fassadenelemente werden montiert

Der Bauprozess schematisch dargestellt vom Betonsockel über die Module zur Fassade

Bild: © Sauerbruch Hutton

Die Montage der fertigen Module vor Ort

Bild: © Primus Developments GmbH / Senectus GmbH

WEITERE INFORMATIONEN

Universal Design-Quartier

WOODIE Studentenwohnheim

Standort : Dratelnstraße 32 a-c, 21109 Hamburg

Architektur: Sauerbruch Hutton, Berlin

Bauherrschaft : PRIMUS developments GmbH, Senectus GmbH, beide Hamburg

Das Projekt wurde mit dem WohnbauPreis Hamburg 2017 ausgezeichnet!
Die Jury würdigt das Projekt folgendermassen:

Jury: „Wie Container im Hamburger Hafen stapeln sich im Stadtteil Wilhelmsburg 371 vorgefertigte Micro-Apartments aus Holz zum „Woodie“. Die nach dem Prinzip des Universal Designs entwickelte Struktur erlaubt eine flexible Erweiterung oder Verkleinerung der Wohnfläch en und kann so auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren. Hier verbindet sich serielles, modulares Bauen aus dem nachhaltigen Material Holz mit hervorragender Architektur und moderaten Baukosten. Das Projekt zeigt, dass Qualität in Konzeption, Entwurf und Ausführung keine Utopie ist, sondern eine neue Entwicklungsstufe im seriellen Wohnungsbau erreicht hat.“

Ähnliche Artikel

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.