Vor zehn Jahren hat das dänische Architekturbüro BIG in Kopenhagen einen aufsehenerregenden Sozialwohnungsbau mit einem modularen Grundrisskonzept erstellt. Für eine kürzlich erstellte Wohnsiedlung in Aarhus griff BIG mit einer neuen Grossform auf das bewährte Konzept zurück.

Schemen: BIG. Bilder: Rasmus Hjortshoej

BIG aus Kopenhagen gilt als eines der kreativsten Architekturbüros Skandinaviens. Die aufsehenerregenden Projekte von Bjarke Ingels und seinem Team sind weltweit in Architekturpublikationen zu finden. So auch die 2013 fertiggestellte Sozialsiedlung Dortheavej in Kopenhagen. Ähnlich einem Tatzelwurm schlängelt sich der ganz mit Holz verkleidete Bau entlang der gleichnamigen Strasse und zeigt, dass auch günstige Wohnungen von hoher architektonischer Qualität sein können. Kürzlich hat BIGs Tatzelwurm einen schneckenförmigen Schwesterbau mit 93 Wohnungen bekommen. Dieser steht in Aarhus, Dänemarks zweitgrösster Stadt, im neu entstehenden Quartier Nye.

Die Schneckenform hat BIG bewusst gewählt, denn sie kombiniert die Vorteile von Zeilenbau und Blockrand: Sie schafft Intimität und viel Grünraum zwischen den Gebäuden, ohne die Siedlung gegenüber der Umgebung abzuschotten. Zudem geniesst man im «Sneglehusene», wie das Gebäude auf Dänisch heisst, dank der besonderen Form auf beiden Gebäudeseiten einen Blick ins Grüne, während bei einem klassischen Blockrand auf der Aussenseite meist der Strassenraum verläuft. Das ist besonders gut erlebbar, da alle Wohnungen von Fassade zu Fassade laufen. Die Mitte der Schnecke bildet ein Teich. Er ist nicht nur Naherholungsort, sondern dient auch als Sammelbecken für das Regenwasser der Siedlung, das als Grauwasser weiterverwendet wird.

Modulbaukasten für unterschiedliche Wohnformen

Die Aarhuser Schnecke umfasst sechs einzelne Gebäude mit teilweise begrünten Dächern, teilweise mit Solarpanels versehenen Dächern. Die Höhe des gesamten Bauwerks steigt von aussen nach innen langsam von zwei auf vier Geschosse an. An den Enden jeder Einheit betont ein eingeschossiger Gebäudeteil die Durchgangspassage.

Konstruktiv handelt es sich bei der Schnecke um ein Gebäude aus vorgefertigten Betonelementen für Wände und Decken, die vor Ort zusammengefügt wurden. Das gesamte Konzept der Siedlung folgt aber einem modularen Grundrissprinzip, das – ebenso wie die Optik –vom Projekt in Kopenhagen übernommen wurde. Es umfasst einen Baukasten aus zwei Grundformen – Trapez und Rechteck – und zwei verschiedenen Raumhöhen. Durch die wechselweise Aneinanderreihung von Trapez und Rechteck entsteht letztlich die gebogene Gebäudeform. Innerhalb der zwei Grundtypen (Trapez und Rechteck) gibt es Module mit unterschiedlichen Funktionen: solche, die nur Wohn- und Essbereich und Küche umfassen, solche mit Schlafzimmern, solche für 1-Zimmer-Wohnungen mit Küche, Wohn- und Schlafbereich und solche mit Treppenhäusern sowie Eingangsbereich für Gebäudeteile mit Geschosswohnungen. Die Module mit Wohn- und Essbereich sowie Küche sind jeweils 3,5 Meter hoch, die anderen nur 2,5 Meter. Innerhalb der Wohnungen überwinden drei Stufen den Höhenunterschied und schaffen klar ablesbare Zonen. Der Baukasten ermöglichte es, verschiedenste Wohnungstypen von der 1-Zimmer-Wohnung bis zum mehrgeschossigen Townhouse mit 150 Quadratmetern Fläche zu realisieren und zu einem einheitlichen Gebäude zu verweben. Welche Wohnungstypen sich wo befinden, lässt sich von aussen nicht ablesen – dafür sorgt die durchgängige Fassadengestaltung aus Holzlatten und raumhohen Verglasungen.

Auch wenn die Schnecke in Aarhus im Gegensatz zu ihrem Schwesterbau in Kopenhagen für ein zahlungskräftigeres Publikum erstellt wurde, haben die Architekten von BIG die einfache Materialisierung beibehalten: Betondecken mit sichtbaren Elementstössen, Holzböden, weisse Wände und möglichst viele raumhohe Fenster. Star der Wohnungsgestaltung ist – analog zu Kopenhagen –das von beiden Seiten einfallende Tageslicht, das im Wohn-, Ess- und Küchenbereich bewusst nicht durch innere Trennwände gestört wird.

Die Schneckenform hat BIG bewusst gewählt, denn sie kombiniert die Vorteile von Zeilenbau und Blockrand: Sie schafft Intimität und viel Grünraum zwischen den Gebäuden, ohne die Siedlung gegenüber der Umgebung abzuschotten.

Pläne: BIG. Bilder: Rasmus Hjortshoej

Projektdaten
Wohnsiedlung Sneglehusene Aarhus (DK), 2022

Standort
: Rødbedevej 127–103, Lysberg
Bauherrin: Taekker Group, Aarhus (DK)
Architektur: Bjarke Ingels Group BIG, Kopenhagen (DK)
Auszeichnung: Aarhus Municipality Architecture Prize, 2023

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