Bekanntlich liegt der Anteil der bebauten Fläche in Städten inzwischen bei 80 Prozent. Höchste Zeit, sich über Transformation, Verdichtung bestehender Baulücken und Überbauung – ein Bauen der Stadt in und auf der Stadt – Gedanken zu machen. Paris hat hierfür den rechtlichen Rahmen geschaffen. MARS Architectes haben sich mit grosser Hingabe der Schaffung einer wahren, vollständig aus Holz bestehenden Oase der Stille und Harmonie mitten in Paris gewidmet.

Aus dem Französischen von Beate Susanne Hanen

[1-3] Das Projekt Saint Mandé verbindet geschickt lokale, biobasierte Materialien mit modularem Bausystem und japanisch inspirierter Ästhetik von Fassaden und umliegendem Garten [4] Strategie [5-8] Grundriss EG, 2. OG, 3. OG, Querschnitt.

Bilder: Charly Broyez, Pläne: MARS Architectes

Das Baukastenprinzip bietet auch den Vorteil einer auf BIM basierten Effizienz des Bauvorhabens: Das Gebäude birgt aufgrund des im Laufe seiner Lebensdauer flexibel nutzbaren Grundrisses ein grosses Potenzial.

Die Geschichte dieses 2020 in einem Innenhof eines Wohnblocks in der Avenue Saint Mandé in Paris (12. Arrondissement) errichteten Holzbaus reicht zurück auf das Jahr 2012. Das 14 Wohnungen umfassende Projekt ist das Ergebnis einer vom Büro MARS Architectes durchgeführten Studie, die im Auftrag der GECINA erfolgte. Diese Grundstücksgesellschaft verfügte 2021 über das beträchtliche Immobilienvermögen von 20 Milliarden Euro, Ziel der Untersuchung war die Erfassung des bebaubaren Potenzials ihrer Pariser Bausubstanz infolge des «Loi Allure» und des «Loi Duflot» – zweier Gesetze, die beide eine Verdichtung des städtischen Lebensraums fördern.

Im Zuge dieser Studie wurden MARS Architectes mit dem Bau eines Gebäudes beauftragt, das einen als Brache wahrgenommenen Innenhof aufwerten sollte. Eine gute Gelegenheit, das neue nachhaltige städtebauliche Modell – die Stadt in oder auf sich selbst zu bauen – umzusetzen. Das Projekt Saint Mandé verbindet geschickt lokale, biobasierte Materialien mit modularem Bausystem und japanisch inspirierter Ästhetik von Fassaden und umliegendem Garten. Eine gelungene Symbiose von Nachhaltigkeit und Schönheit.

Von der Stadt zu einer nahezu embryonalen Geborgenheit

Der Übergang von der Stadt zu den Wohnungen erfolgt über eine Art Initiationspfad. Von der Strasse aus, durch den Haupteingang des Häuserblocks hindurch, zieht bereits ein Garten den Blick auf sich. Folgt man ihm, findet man sich in einer sorgsam gestalteten Vegetation wieder, in deren Mitte sich ein erstaunliches, viergeschossiges Gebäude aus Holz erhebt. Umlaufende Balkone und das Raster vorgefertigter Holzelemente, die regelmässig mit den grossen Fenstern und ihren Läden alternieren, rhythmisieren elegant die Fassaden. Ein vor die Fassade gestellter Baldachin öffnet sich stimmungsvoll zu einem noch abgeschiedeneren, schneeweissen Durchgang. Dieser mündet in einem kleinen, in intimen Dimensionen gehaltenen, ebenfalls weissen Innenhof mit asiatisch anmutender Zen-Ausstattung. Treppen führen zu den auf den kleinen Hof ausgerichteten Laubengängen. Dieser doppelte Übergang, von der Stadt zum Garten und wiederum vom Garten zum Innenhof, vermittelt eine nahezu embryonale Geborgenheit.

Herausforderungen machen erfinderisch

Die 12 Stockwerke der den Hof umgebenden Gebäude machten den Transport von Bauelementen über die Dächer unmöglich. Zudem begrenzte der Durchgang von der Strasse in den Wohnblock deren Masse auf 3,5 m Breite und 2,3 m Höhe. Da das neue Gebäude auf der bestehenden Tiefgarage errichtet werden sollte, ohne deren Funktion einzuschränken, ergab sich zusätzlich zum Problem des Gewichts noch dasjenige des Zugangs. Die Lösung fand sich in Form des Modulsystems mit vorgefertigten Holzelementen. Diese biobasierten Bauteile verbinden Leichtigkeit und Nachhaltigkeit. Ihr Zusammenfügen lässt eine grosse Variabilität von Rhythmus und Proportionen der Fassaden zu, die von der Schlichtheit und Zurückhaltung japanischer Ästhetik zeugen. Das Baukastenprinzip bietet überdies den Vorteil einer auf BIM basierten Effizienz des Bauvorhabens: Das Gebäude birgt aufgrund des im Laufe seiner Lebensdauer flexibel nutzbaren Grundrisses ein grosses Potenzial an Wandelbarkeit. Zur Nachhaltigkeit der Baumaterialien gesellt sich also noch die Nachhaltigkeit der Nutzung.

Bilder: Charly Broyez

Projektdaten

Wohnhaus, Avenue Saint Mandé, Paris, 2020
Bauherrschaft:
GECINA
Architektur: MARS Architectes
Wohnfläche: 716 m2
Wohnungen: 14 durchgesteckte Appartements
Spezifische Besonderheiten: Plan Climat de la Ville de Paris (Klimaplan der Stadt Paris) sowie der Qualitätssiegel: HQE NF Habitat niveau excellent, Effinergie, Biosourcé niveau 3 und Biodiver-city

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