Die Stadt München plant ihre Grundschulen seit 2015 zum Teil mithilfe eines modularen Baukastensystems. Dabei orientiert sich die Architektur stark am pädagogischen «Lernhauskonzept», bei dem unter anderem Offenheit und Flexibilität gefragt sind.

Vier Grundschulen in modularen Bauweise in München | Übersicht der vier Standorte, Lernhausmodul, Isometrie.

Pläne: wulf architekten

War es eine Vorahnung? Oder purer Zufall, dass die Stadt München 2011 entschied, einen Platz im Stadtteil Schwabing umzubenennen – in «Bauhausplatz»? Jedenfalls wurde sechs Jahre später an besagtem Ort die «Grundschule am Bauhausplatz» erstellt – basierend auf einem modularen Baukastensystem, also genau nach der Idee, für die Walter Gropius und das Bauhaus vor knapp hundert Jahren den Grundstein gelegt hatten.

Die Schule am Bauhausplatz ist eine von vier Münchner Grundschulen, deren Planung auf einem modularen System basiert und die zwischen 2015 und 2017 realisiert wurden. Vorangegangen war ein Wettbewerb, den die Stadt 2013 ausgelobt hatte; denn auch in der bayrischen Landeshauptstadt sind die Schülerzahlen stetig gestiegen und damit der Bedarf an Schulraum. Vorgabe war dabei, dass die vier gleichzeitig zu erstellenden Schulgebäude einerseits mithilfe eines modularen Baukastensystems und andererseits nach dem «Münchner Lernhauskonzept» geplant werden sollten. Dieses sieht vor, dass jeweils ein Grundschulzug (Jahrgangsklassen 1 bis 4) gemeinsam in einem «Cluster» lernt – also sozusagen eine kleine Schule innerhalb der grossen Schulgemeinschaft bildet. Ein Cluster soll dabei immer aus mehreren Klassenzimmern und weiteren Räumen bestehen, die sich um einen sogenannten «Marktplatz» anordnen.

Modul mit Identifikationswert

Den Wettbewerb entschieden Wulf Architekten aus Stuttgart für sich. Sie entwickelten ein Baukastensystem, das jeweils an die Gegebenheiten vor Ort angepasst werden kann. Es besteht aus einem modular aufgebauten Grundrisssystem mit einem Raster von 10,5 x 9 Metern. Damit können bis zu drei Geschosse hohe Schulgebäude erstellt werden. Die Statik ist dabei so konzipiert, dass die Schulräume auch auf andere Nutzeinheiten, etwa eine Sporthalle, aufgesetzt werden können. Obwohl modular geplant werden die Bauten aber grösstenteils klassisch vor Ort mit einem Betonskelett als Tragstruktur realisiert. Aus den einzelnen Modulen setzten Wulf Architekten das «Lernhausmodul» zusammen. Dieses fällt immer genau gleich aus und umfasst vier Klassenzimmer, zwei Räume für die Ganztagesbetreuung, ein Lehrerzimmer sowie Sanitäranlagen und einen Abstellraum. In der Mitte dieses Clusters befindet sich der Pausenbereich, dem ein rund hundert Quadratmeter grosses Atrium zugeordnet ist und für viel Offenheit sowie eine natürliche Belichtung sorgt. Für eine hohe Flexibilität bei der Nutzung sind die Wände zwischen den Räumen der Betreuung und dem Pausenbereich mobil ausgeführt. Ein auffälliges Gestaltungselement des Lernhausmoduls ist das Tonnengewölbe aus Sichtbeton. «Damit haben wir eine Raumqualität geschaffen, die für Schüler und Lehrer sinnlich erfahrbar wird», sagt Tobias Wulf, Gründer und Mitinhaber des Architekturbüros. «Wir sehen das als Gegenpol eines stereotypen, modularen Bauens.» In den Erschliessungsbereichen, der Mensa oder dem Foyer kommt das Gewölbetragwerk hingegen nicht zur Anwendung. Die Tonnengewölbe wurden als einzige Bauteile vorfabriziert – für die vier Schulen von drei unterschiedlichen Unternehmen. «Das ist dem deutschen Vergaberecht geschuldet», erklärt Wulf. Ob als klares Rechteck oder winkelförmig gestaltet – die vier Grundschulen von Wulf Architekten präsentieren in der Aussenansicht ein einheitliches Bild: umlaufende Loggien mit weissen Säulen und geschosshohen, luftig angeordneten Holzpaneelen mit einer vertikal verlaufenden Lattung.

Andere Architekten – ähnliche Optik

Wie bereits im Wettbewerb festgelegt, kaufte die Stadt München Wulf Architekten das Urheberrecht für das Konzept des Lernhausmoduls ab; nun findet es in München weitere Verbreitung: geplant von unterschiedlichen Architekturbüros, aber ohne das identifikationsstiftende Tonnengewölbe. «Das ist sehr schade», findet Tobias Wulf. Die Stadt München habe halt lieber Standardlösungen – das Betongewölbe hätte höhere Räume verlangt und Speziallösungen, etwa für Beleuchtung und Akustik.

Die Architekten müssen sich zwar fest ans Grundrisskonzept der Lernhausmodule halten, sind sonst jedoch relativ frei. Trotzdem präsentieren sich die 2019 fertiggestellte Grundschule und jene, die 2021 bezogen wird, in ihrer Aussenansicht sehr ähnlich – bis hin zu den Elementen mit Holzlamellen. «Das liegt am Fluchtwegprinzip mit den umlaufenden Loggien», erklärt Wulf. Auch sein Büro hat von der Stadt München nochmals einen Auftrag zum Bau einer weiteren Grundschule nach dem eigenen Konzept erhalten. In der bayrischen Landeshauptstadt scheint man also von der modularen Bauweise überzeugt zu sein. Wohl nicht zuletzt, da sie eine weitere Vorgabe des Wettbewerbs aus dem Jahr 2013 erfüllt: Dank dem modular aufgebauten Grundrisssystem können die Planungszeiten für Schulhäuser verkürzt und so auch wirtschaftliche Vorteile erreicht werden.

Grundschule Freiham II Quartierzentrum in München | Grundrisse EG bis 2. OG, Schnitte.

Pläne: wulf architekten

Modulart kommentiert

Zwischen der Geburt eines Kindes und seiner Einschulung vergehen nur gerade vier Jahre – genau so viel Zeit bleibt den Behörden, um ausreichend Schulraum bereit zu stellen. Doch der Neubau eines Schulhauses dauert von der Idee bis zum Bezug schnell einmal acht oder mehr Jahre. Die Stadt München hat einen mutigen Schritt gemacht und einen modular aufgebauten Baukasten für Grundschulen entwickelt. Da die Aufgabenstellung bei solchen Schulhäusern immer dieselbe ist, macht das Sinn. Dank dem Baukasten lässt sich die Planungszeit und damit auch die Zeit bis zum Bezug stark verkürzen. Zudem spart die Stadtkasse Planungskosten. Der Münchner Ansatz könnte im wahrsten Sinne des Wortes Schule machen. Schade nur, haben die Verantwortlichen die Chancen des modularen Baukastens nicht auch konstruktiv konsequent umgesetzt. Die Schulhäuser werden meist konventionell vor Ort erstellen. Eine Realisierung mit vorgefertigten Modulen oder Elementen würde die Bauzeit auch senken, ohne die individuelle Gestaltungsfreiheit einzuschränken, wie die vielfältigen Beispiele in der Rubrik Bildung beweisen. 

Kathrin Merz, modulart.ch

Projektdaten

Grundschule am Bauhausplatz und weitere Standorte, 2017 bis heute
Ruth-Drexel-Strasse 27, Bauhausplatz 9, Freihamer Weg 55, Gustl-Bayrhammer-Strasse21, München
Bauherrin: Landeshauptstadt München, Baureferat Hochbau
Architektur: Wulf Architekten GmbH, Stuttgart
Auftragsart: Wettbewerb, 2013

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