Wie sollen wir künftig zusammenleben? Dieser Frage widmen sich auch Shift Architekten und die Firma Syncroon aus den Niederlanden. In Amsterdam haben sie den Prototyp ihres Konzepts Domus Living gebaut.

Fotos: Pim Top, René de Wit. Pläne: Shift architecture urbanism, Rotterdam NL

Wer im Domus in einer der 235 Wohnungen lebt, wohnt in den eigenen vier Wänden auf kleinem Fuss und verzichtet dennoch auf keine Annehmlichkeit.

Wo einst grosse Handelsschiffe anlegten, wird das Zusammenleben neu erprobt. Der Amsterdamer Houthaven zählte einst zu den wichtigsten Häfen der Welt. Piers, die in den Fluss IJ ragen, zeugen von dieser Geschichte. Heute prägen aber auch moderne Bauten diesen Stadtteil – darunter der Wohnkomplex Domus. Er bildet den Schlussstein am nordwestlichen Rand des Quartiers, das sich gerade zu einem neuen Wohnviertel entwickelt.

In einem den gesamten Domus-Komplex umrundenden Sockel befinden sich Gewerberäume und Läden. Darauf wachsen um einen Innenhof neun unterschiedlich breite Volumen vier bis neun Geschosse in die Höhe. Intern miteinander verbunden, heben sie sich von aussen durch ihr unterschiedlich ausgebildetes, verschiedenfarbiges Ziegelmauerwerk deutlich voneinander ab. Mit der Materialwahl und den grosszügigen Fenstern verweisen die Architekten auf den früheren industriellen Charakter des Quartiers. Zur Hafenseite im Norden bilden die neungeschossigen Blöcke 1, 2 und 9 einen Riegel gegen Lärm. In der südwestlichen Ecke stehen die sechsgeschossigen Blöcke 4, 5, und 6 parallel zueinander. Etwas abgesetzt von den anderen Gebäuden schliessen die nur viergeschossigen Blöcke 7 und 8 das Ensemble als südliche Zeile ab. Dank dieser Öffnung und der weniger hohen Volumen erhält der Garten im Innenhof genügend Sonnenlicht. Eine Passarelle dient nicht nur als Erschliessung, sondern verbindet die Blöcke auch optisch mit dem Ensemble.  

Der Gemeinschaftsgarten im Innern des Gevierts befindet sich auf der untersten Wohnebene. Darunter, im Bauch des Komplexes, bieten ein Veloraum Platz für fast 500 Velos sowie eine doppelstöckige Garage für 70 Autos, davon fünf für Carsharing.

Kleiner Kern, grosser Gemeinschaftsraum
Wer im Domus in einer der 235 Wohnungen lebt, wohnt in den eigenen vier Wänden auf kleinem Fuss und verzichtet dennoch auf keine Annehmlichkeit. In Block 7 des Ensembles befindet sich auf der Ebene des Gartens ein grosser gemeinsamer Arbeits- und Wohnraum. Auf dem Dach von Block 7 und 8 lädt ein Kochstudio mit Terrasse zum gemeinsamen Kochen und Feiern ein.

Die Wohnungen, die nur 43 bis 60 Quadratmeter gross sind, wirken dank eines klug komponierten Kerns erstaunlich geräumig und sind flexibel möblierbar. Der sogenannte Smart Core besteht aus je einem Modul für Küche, Bad, Bettnische und Schrank. Die Module erhalten in jeder Wohnung eine eigene Farbe und werden je nach Wohnungstyp anders zusammengestellt. Mal bildet der Smart Core fast ein Quadrat, mal ist er ein längliches Rechteck oder eine Zeile. So hat jede Wohnung trotz der neutral belassenen Materialien – ungestrichene Betondecken, Laminatböden und weisse Wände – ihren individuellen Charakter.   

Der eigentliche Clou der Wohnungen ist das Bettmodul. Mit zwei Türen lässt sich das Schrankbett schliessen. Mit dieser ästhetisch schönen und schlauen Idee lösen die Architekten ein Problem, das man in einer Studiowohnung oft hat: dass man eigentlich in einem grossen Schlafzimmer wohnt.

Alleine leben, zusammen teilen
Mit Domūs Houthaven hat das Rotterdamer Architekturbüro Shift das Konzept Domūs Living erstmals umgesetzt. Die Idee dahinter: ein nachhaltiges Wohngebäude mit hoher Dichte und effizienter Nutzung von Raum, Energie und Materialien. Das Konzept richtet sich an Ein- und Zweipersonenhaushalte, eine Gruppe von Menschen, die wie in vielen Städten auch in Amsterdam wächst. Viele von ihnen verbindet der Wunsch, von zu Hause aus zu arbeiten und dennoch in Gesellschaft zu sein. Sie möchten Dinge und Räume teilen – nicht nur, weil es nachhaltig ist, sondern auch, weil es Spass macht.   

Im gemeinsamen Arbeits- und Wohnbereich bilden vier grosse freistehende Möbel verschiedene, auch atmosphärisch diverse Arbeitsbereiche aus: Es lässt sich gemütlich im Ohrensessel lesen, auf dem Sofa angeregt diskutieren oder konzentriert am Tisch am Computer arbeiten, ohne dass der Raum an Offenheit oder Grosszügigkeit verliert. Der gemeinsame Raum ist auch mit dem Café, das sich im Sockel befindet, direkt verbunden.

Der Dachpavillon auf den Häusern 7 und 8 ist via Passarelle erreichbar, die über den Garten im Innenhof führt. Neben dem Kochstudio beherbergt der Pavillon auch einen Schlafraum für Gäste mit Bad. Das Kochstudio bietet eine Kochinsel und Sitzgelegenheiten für Gruppen drinnen als auch draussen auf der Dachterrasse. Alle Angebote funktionieren nach dem Prinzip «pay per use». Jeder bezahlt nur das, was er auch wirklich nutzt. So hat jeder seine Nebenmietkosten gut im Griff.  

Der eigentliche Clou der Wohnungen ist das Bettmodul.

Mit zwei Türen lässt sich das Schrankbett schliessen. Mit dieser ästhetisch schönen und schlauen Idee lösen die Architekten ein Problem, das man in einer Studiowohnung oft hat: dass man eigentlich in einem grossen Schlafzimmer wohnt.

Fotos: Pim Top, René de Wit

Projektdaten

Wohngebäude mit gemeinsamer Infrastruktur, 2022
Houthhavenweg 21, Amsterdam

Bauherrschaft: Synchroon BV
Architektur: Shift architecture urbanism, Rotterdam NL
Mitarbeit: Thijs van Bijsterveldt, Oana Rades, Harm Timmermans, Martyna Drys, Paul Voorbergen, Philip de Klerk, Marinda Verschoor, Yang Bai
Ingenieure: ABT Delft, Vericon
Ausführung: Van Wijnen Haarlemermeer
Möblierung: Blom interieurs
Landschaftsarchitektur: Flux Landscape
https://domus-houthaven.nl

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