Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum, gerade auch für Studierende, ist in den meisten Städten ein Thema. Damit verknüpft ist die Frage der Nachhaltigkeit – nicht nur der ökologischen, sondern vor allem auch der sozialen. Denn, dass wir auf zu grossem Fuss leben, ist unbestritten – und Teil des Problems. In Kopenhagen zeigen zwei modulare Projekte, wie es sich auf wenigen Quadratmetern komfortabel wohnen lässt.
Fotos: Astrid Maria Rasmussen. Pläne: Arcgency. Architektur: Arcgency
Wer, der mitten im hektischen Arbeitsleben steht, wünscht sich nicht manchmal in die Zeit des Studiums zurück, als das Leben – zumindest rückblickend – so unbeschwert schien? Vergessen die Anonymität im riesigen Hörsaal, vergessen die Unsicherheit, was nach Studienabschluss aus einem werden soll, vergessen die popelige Küche im Studentenheim.
Besonders unbeschwert und glücklich müssen Studierende sein, die eine Wohneinheit im ersten CPH Village auf Refshaleoen, einer Halbinsel im Hafengebiet von Kopenhagen, bewohnen dürfen. Vom Bett aus blicken sie durch ein raumgrosses Fenster direkt auf den Hafen, das Wasser und die Silhouette der Stadt. In der Einheit finden auch ein kleiner Tisch und eine Mini-Küche Platz. Eingang und Bad teilen sie sich mit der angrenzenden Wohneinheit – je zwei sind in einen ausrangierten Schiffscontainer eingebaut. Das Design ist entsprechend roh, alle Schraubenverbindungen sichtbar.
Immer vier Container sind neben- und aufeinandergestapelt und bilden 21 zweigeschossige Ensembles. Dazwischen spannen sich Dächer auf, unter denen sich Erschliessung und halbprivate Räume befinden. Hier werden Pflanzen angebaut, wird Wäsche getrocknet, zusammengesessen, Kaffee getrunken und getafelt.
Das Gemeinschaftshaus des CPH Village, ein drei Container hoher, flexibler Raum, steht an der Hafenfront. Dort waschen die Studierenden nicht nur ihre Wäsche und kochen gemeinsam; hier finden zudem Konzerte, Lesungen und Partys statt, zu denen auch die übrige Bevölkerung Zugang hat.
Beim Design den Rückbau mitgedacht
Mit dem CPH Village in Refshaleøen von 2018 und weiteren in Vesterbro (2020), Amagerbro (2022) und Nørrebro (2023), will das gleichnamige Unternehmen neue Wege des studentischen Wohnens aufzeigen. Denn wie in anderen Grossstädten sind auch in Kopenhagen die Grundstückpreise unerschwinglich geworden und deshalb neue Studentenunterkünfte rar. Die Frage, wie viel Platz eine Person zum Wohnen braucht, ist deshalb zentral. In den CPH Villages sind es neun bis elf Quadratmeter an privatem Raum. Dazu kommen die vielen gemeinsam nutzbaren Räume sowie Nischen und Grünflächen zwischen den Gebäuden. All das reicht aus für ein «hygge» Studentenleben.
Dass das erste CPH Village in Refshaleøen, einem zentrumsnahen ehemaligen Industrie- und Hafengebiet errichtet werden durfte, hat mit einem für solche Gebiete kürzlich geänderten Planungsrecht zu tun. Es erlaubt, sie für bis zu zehn Jahre mit Studentenwohnungen zu bebauen. Gerade auch wegen dieses befristeten Zeitraums wird beim Bau der CPH Villages der Rück- und allfällige Wiederaufbau an einem anderen Ort bereits eingeplant. Das auf «Design for Disassembly» spezialisierte Architekturbüro Arcgency hat die Container deshalb so zu Wohngebäuden umgebaut, dass sie leicht zu zerlegen, zu transportieren und wieder zusammenzubauen sind: Die Container sind mittels Twistlock verbunden, Verriegelungen, die auch auf Containerschiffen zum Einsatz kommen und sich bei der Demontage einfach lösen lassen. Die hochisolierenden Sandwichpaneele, die die Container rundum verkleiden, sind sichtbar mit Schrauben befestigt und können leicht demontiert werden. Und die dreifach verglasten Fenster werden vom Hersteller geleast, der sie nach Demontage und Rückgabe anderweitig wiederverwenden könnte. Die vier CPH Villages bieten inzwischen bereits rund 800 Studierenden Raum zum Wohnen, weitere Dörfer sind in Planung.
Boden gewinnen
Vom CPH Village Refshaleoen zum Urban Rigger sind es nur wenige Minuten zu Fuss. Auch dieses Container-Projekt, das Bjarke Ingels mit seinem Team bereits 2015 entwickelte, sucht Antworten auf den Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Kopenhagen – und die Nähe des Wassers. Allerdings steht die Container-Insel nicht am Wasser, sondern schaukelt sanft darauf. Damit haben die Architekten dem Umstand Rechnung getragen, dass Kopenhagen, wie weltweit viele andere Städte, sich künftig mit dem Anstieg des Meeresspiegels auseinandersetzen muss. Was dadurch an Boden verloren geht, gewinnt das Konzept Urban Rigger zurück.
In vielen Universitätsstädten, in denen es an Wohnraum mangelt, gibt es ungenutzte Hafenflächen. Bevor die Stadtentwicklung richtig in Gang kommt, könnten Kaianlagen für Studentenwohnungen genutzt werden.
Bjarke Ingels
Fotos und Pläne: BIG. Architektur: BIG
Die Insel besteht aus neun Containern. Drei davon stehen auf einem unregelmässigen, sechseckigen Schwimmponton und bilden einen Innenhof. Jeder der drei Container beherbergt eine 30 Quadratmeter grosse Wohnung. Darauf werden zwei Stockwerke mit je drei weiteren Containern gesetzt, in denen sich neun 23 Quadratmeter grosse Wohnungen befinden.
Vom zentralen Innenhof, in dem sich auch ein Kajaksteg, eine Badeplattform und ein Grillplatz befinden, führt eine Treppe in die Etage, die unter dem Meeresspiegel liegt. Dort sind neben Technik und Lagerräumen ein grosser Gemeinschaftsraum mit Küche und eine Waschküche untergebracht. Oblichter im Innenhof bringen Tageslicht in die unteren Räume.
Eine zweite Treppe führt vom Hof zu den Pavillons im ersten und zweiten Geschoss sowie auf die drei Dächer. Eines ist bepflanzt und fördert damit die Artenvielfalt, ein zweites ist mit einer Solaranlage bestückt, die das Warmwasser bereitstellt und den Strom für die Wärmepumpe liefert. Für die Fussbodenheizung in den Wohnungen dient das Meerwasser als natürliche Wärmequelle. Vom dritten Dach lässt sich die Aussicht. auf die Umgebung und die Kanäle von Kopenhagen geniessen.
Die erste Urban-Rigger-Insel wurde 2017 von Polen nach Kopenhagen verschifft. Ein paar Jahre später kamen fünf weitere hinzu. Heute beherbergen sie in 72 Wohnungen rund hundert Studierende. Sobald der Containerhafen in Nordhavn ausser Betrieb genommen wird, könnten dort weitere 32 Container mit 576 Wohnungen aufgestellt werden.
Unkonventionelle Lösungen prallen aber manchmal auf die Konventionen der Realität. Organisatorische und rechtliche Fragen verzögern ein scheinbar einfaches, schnell umsetzbares Konzept. Fragen wie: Gilt das Mietgesetz auch, wenn man am Wasser wohnt? Wie sind die Regeln für Baugenehmigungen am Wasser? Und wie lange dürfen die Containerinseln auf dem Wasser bleiben?
Noch ist nicht alles geklärt, doch es besteht Hoffnung – nicht nur für Kopenhagen. «Es könnte ein tolles Modell für viele Städte sein», sagt Bjarke Ingels in der dänischen Zeitschrift «Politiken», «und Kopenhagen hat die Tradition, ein internationales Vorbild zu sein.» Lars Funding, CEO des Unternehmens Urban Rigger, meint, dass gerade die Häfen von Cork, Dublin und Belfast gut geeignet wären für weitere Urban Rigger ausserhalb von Dänemark.
PROJEKTDATEN
Wohneinheiten für Studierende, 2018, Refshaleoen, Kopenhagen
Bauherrschaft: CPH Village, Kopenhagen
Architektur: Argency, Kopenhagen
Städtebau: Vandkunsten Architects, Kopenhagen
Statik: Ramboll, Kopenhagen
Bild: Astrid Maria Rasmussen
PROJEKTDATEN
Urban Rigger, 2016, Refshaleoen, Kopenhagen
Bauherrschaft: Urban Rigger APS, Kopenhagen
Architektur: BIG, Kopenhagen
Bild: BIG
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