Bild: Rural Urban Framework (RUF), Hongkong

Wann sind Sie auf die Probleme in den Ger-Distrikten von Ulaanbaatar aufmerksam geworden?
Joshua Bolchover: Wir haben 2014 im Rahmen unserer Forschungsarbeit damit begonnen, die Ger-Distrikte zu untersuchen. Dazu führten wir räumliche Analysen durch, kartierten die Gebiete, befragten die Haushalte und interviewten die Bewohnerinnen und Bewohner. Unser Ziel war es, das Alltagsleben der Menschen in den Ger-Distrikten besser zu verstehen.

Als Lösungsansatz für die Wohnprobleme haben Sie 2017 als Prototyp ein Erweiterungsmodul für die traditionelle Jurte – Plug-in genannt – geschaffen. Wie hat sich das Projekt weiterentwickelt?
JB: Seit der Fertigstellung haben wir Daten zum Energieverbrauch gesammelt sowie evaluiert, ob das Modul die umwelttechnischen Erwartungen erfüllt und welche Erfahrungen die Bewohnerschaft damit sammelt. Die Datenerhebung war sehr wichtig, da die Banken nur zinsgünstige Umwelthypotheken für den Bau der Plug-ins offerieren, wenn wir nachweisen können, dass unsere Lösung zwanzig Prozent besser ist als die mongolischen Baunormen. Das dafür nötige Zertifikat haben wir 2020 erhalten.

Wie hat sich der Prototyp sonst bewährt?
JB: Zulaa und Urangua, die Bewohner des Prototyps, sind im Allgemeinen sehr zufrieden. Ein Problem ist die Instandhaltung der Jurte. In unserer neuesten Version haben wir deshalb den Anschluss zwischen ihr und dem Plug-in angepasst. So kann die Jurte nun einfacher gereinigt und auch repariert werden.

Was sehen die weiteren Pläne für das Projekt aus?
JB: Wir haben ein Start-up-Unternehmen namens District Development Unit (DDU) gegründet. Dieses soll als lokaler Akteur die Entwicklung und die Förderung des Plug-ins zu beaufsichtigen. Aktuell planen wir, im Sommer 2022 ein neues Modell des Ger-Plug-in – 3.0 genannt – zu bauen und mit der Vermarktung zu beginnen.

Ein Plug-in soll um die 10 000 Dollar kosten. Sind dieser Preis oder die Raten der von Ihnen angesprochenen Umwelthypothek für die doch recht arme Bewohnerschaft der informellen Quartiere überhaupt erschwinglich?
JB: Die grösste Herausforderung ist es derzeit, den Preis so niedrig wie möglich zu halten, ohne Abstriche bei der Dämmung und beim Energieverbrauch. Die infolge der Pandemie stark gestiegenen Baukosten – insbesondere für Holz – und die schwierige Wirtschaftslage in der Mongolei führen in der Tat dazu, dass ein Plug-in für viele Bewohnerinnen und Bewohner noch zu teuer ist. Die Version 3.0 haben wir deshalb so konzipiert, dass sie schrittweise modular erweitert werden kann. Mit dem bereits erwähnten Zertifikat für die gute Energiebilanz ist zudem der Weg für die zinsgünstigen Hypotheken offen, was die Finanzierung zusätzlich erleichtern soll.

Joshua Bolchover

Joshua Bolchover ist Architekt und ausserordentlicher Professor an der Architekturabteilung der Universität von Hongkong. Zusammen mit John Lin – ebenfalls Assistenzprofessor an der Universität Hongkong – gründete er 2005 das Rural Urban Framework (RUF) mit dem Ziel, eine gemeinnützige Agentur als Plattform für Design und Forschung zu schaffen. Die Projekte von RUF wurden an der Biennale von Venedig 2016, im Design Museum London 2016 und auf der Chicago Biennale 2015 ausgestellt. Die Arbeiten von Bolchover und Lin erhielten zudem mehrere internationale Preise.

www.rufwork.hku.hk

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