Hunderttausende Reisende haben in den letzten sechs Jahren den Roten Turm auf dem Julierpass bewundert und Tausende darin eine der Theater- und Musikaufführungen besucht. Ende August ist jedoch Schluss mit dem einmaligen Kulturgebäude aus Holz – wohin es die Einzelteile verschlagen wird, ist noch unklar.

Der Rote Turm. Seine Fassade und zugleich Tragstruktur bilden zehn je 30 Meter hohe, fünfeckige Einzeltürme.

Fotos: Benjamin Hofer

Aufbau vom Roten Turm (2016).

Fotos: Bowie Verschuuren

Aufführungen im Roten Turm

Fotos: Irene Kuyler

Der Rote Turm ist immer als temporärer Bau gedacht gewesen und wurde speziell für den Ort geschaffen.

Giovanni Netzer, Leiter der Trägerstiftung Origen

Trutzig und zugleich elegant steht er seit sechs Jahren inmitten der imposanten Berglandschaft auf dem Julierpass und überrascht die Reisenden: der Rote Turm. Seine Fassade und zugleich Tragstruktur bilden zehn je 30 Meter hohe, fünfeckige Einzeltürme. Dahinter verbirgt sich eine wohl weltweit einzigartige Bühne für Kunst, Kultur, Theater und Musik, bespielt von der Nova Fundaziun Origen aus dem bündnerischen Riom. Modulart hat darüber bereits 2017 berichtet. Der Leiter der Trägerstiftung Origen, Giovanni Netzer, ist zugleich der Erschaffer des Turms. Er hat ihn unter anderem mithilfe des Bauingenieurs Walter Bieler aus Bonaduz und den Holzbauspezialisten der Firma Uffer aus dem nahen Savognin realisiert. Eigentlich hätte Europas höchstgelegener Theaterbau schon im Herbst 2020 wieder abgebaut werden sollen. Die aufgrund von Corona ausgefallene letzte Saison ermöglichte aber eine Verlängerung bis Herbst 2023. Dann ist jedoch endgültig Schluss. Ende August geht mit dem Finale des Sommerfestivals auch die Zeit des Turms zu Ende. Was mit ihm dann geschieht, ist noch nicht abschliessend geklärt. «Der Rote Turm ist immer als temporärer Bau gedacht gewesen und wurde speziell für den Ort geschaffen», sagt Giovanni Netzer. Denkbar ist aber, dass einzelne der 900 Holzbauteile, die mit 28 000 Schrauben zusammengefügt wurden, anderswo wieder zum Einsatz kommen. Daher darf man gespannt sein, wo die auffälligen roten Holzplatten mit den charakteristischen Rundbögen dereinst wieder auftauchen werden.

Weisse Nachfolge

Bis das Team von Uffer für den Abbau auf dem Julierpass auftaucht, nutzt Origen die einmaligen Räume nochmals in vollen Zügen mit einem Programm, das sich dem Thema Zeit und damit ein Stück weit auch dem nahenden Ende widmet. «Wir freuen uns auf die Saison, der Abschied wird uns aber schwerfallen», sagt Netzer. Wie die Weiterverwendung der Turmbauteile ist auch die Nachfolge der Spielstätte noch offen: Ein wesentlich kleinerer, weisser Turm im Ort Mulegns an der Passstrasse existiert als Vision bereits, noch fehlen aber die Finanzierung und die Baubewilligung. Statt aus Holzelementen soll der Weisse Turm von Mulegns aus 3-D-gedruckten Betonelementen entstehen und an das kulturgeschichtliche Phänomen der Bündner Zuckerbäcker erinnern. Er entsteht in enger Zusammenarbeit mit der Abteilung für digitale Bautechnologien an der ETH Zürich.

Wenn die Finanzierung rechtzeitig gelingt, wird der Weisse Turm das höchste digital gedruckte Bauwerk der Welt sein. Ziel der Verantwortlichen ist es das neue Wahrzeichen des Origen-Festivals im Frühling 2024 aufrichten zu können.

WEITERE INFORMATIONEN
Theaterturm Julier
Bauherrschaft: Nova Fundaziun Origen
Architektur: Giovanni Netzer, Riom
Ingenieur: Walter Bieler, Bonaduz
Lichtplanung: Serge Schmuki, Tokyoblue, Zürich
Bühnentechnik: Martin Hübscher, Excent, Hüttwilen
Tontechnik: Gernot Gögele, Rankweil ( A )
Umweltbegleitung: Nina von Albertini, Paspels
Holzbauer: Uffer, Savognin
Kosten: Fr. 2,8 Mio.

Film von Ruedi Bruderer (SRF 10.09.2017)

Ähnliche Artikel

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.