Auf den Loipen bei Campra im Bleniotal wurden schon mehrfach Schweizer Langlauf-Meisterschaften ausgetragen. Um den Ansprüchen der Profisportler, aber auch der Langlauf-Amateure gerecht zu werden, war ein neues Langlaufzentrum nötig. 2021 erlebt das «Centro Sci Nordico» seine zweite Saison.

Das lang gezogene, zweigeschossige – auf der Westseite dreigeschossige – Holzvolumen schmiegt sich mit der einen Längsseite an einen bewaldeten Hang.

Bilder: Tonatiuh Ambrosetti

Das Material Holz überwiegt auch beim Innenausbau und der Möblierung und sorgt für eine behagliche Atmosphäre.

Bilder 1,2: Tonatiuh Ambrosetti. Bild 3: Giorgio Marafioti

Auch wenn viele Deutschschweizer das Tessin mit Sommer und Wärme verbinden, locken im Winter rund um die Leventina verschiedene Skigebiete. Gerade diesen Winter hat es auf der Alpensüdseite sehr früh sehr viel Schnee gegeben. Ein Glück für die Wintersportler. Denn Outdoor-Aktivitäten gehören derzeit zu den wenigen Vergnügen, die in begrenztem Rahmen möglich sind. Neben dem Alpinskifahren erlebt der Langlaufsport gerade einen Boom: In der Schweiz waren wohl noch nie so viele Menschen auf Langlaufskis unterwegs wie in den vergangenen Wochen. Die Corona-Krise habe dem Sport einen zusätzlichen Schub verliehen, sagt Mariette Brunner, Präsidentin des Dachverbands «Loipen Schweiz». «Der eine oder andere dürfte sich gesagt haben: ‹Ich wollte schon immer mal langlaufen, darum steige ich dieses Mal nicht in eine volle Gondel, sondern auf die Langlaufski›», berichtete Brunner dem Fernsehsender SRF.

Auch im Tessin locken drei Langlaufgebiete mit gut präparierten Loipen: auf dem San Bernardino, im Bedrettotal und auf der Hochebene bei Campra im Bleniotal. Dort finden sowohl Anfänger wie auch Breiten- und Profisportler rund 30 Kilometer Loipe in einer zauberhaften Landschaft.

Gewachsene Ansprüche, neues Zentrum

Neben dem Landschaftserlebnis reizt der «Sci di fondo» oder «Sci nordico», wie man im Tessin sagt, auch deshalb, weil der Sport keine grosse Infrastruktur wie Skilifte oder Gondeln nötig macht, die die Landschaft das ganze Jahr über verstellen. Dennoch braucht es Bauten, um die Maschinen und Untensilien für das Präparieren der Loipen unterzubringen und in denen die Sportbegeisterten sich umziehen, duschen und verpflegen können.

Das erste, 1973 für diesen Zweck erstellte Gebäude in Campra erfuhr im Laufe der Jahrzehnte diverse Um- und Anbauten. Da im Bleniotal wiederholt die Schweizer Meisterschaften durchgeführt wurden und nachdem das Bundesamt für Sport das Clubgebäude als Sportzentrum nationaler Bedeutung anerkannt hatte, genügte die bestehende Infrastruktur den Ansprüchen immer weniger. Deshalb lobte man 2012 ein Wettbewerb aus, den Durisch + Nolli Architekten aus Massagno gewannen. Der Neubau, der ab 2015 an der Stelle seines Vorgängers entstand, erlebt nun bereits seine zweite Saison.

Das lang gezogene, zweigeschossige – auf der Westseite dreigeschossige – Holzvolumen, das aus einem Betonsockel wächst, schmiegt sich mit der einen Längsseite an einen bewaldeten Hang. Im Süden blickt es auf die Ebene und das Eisfeld, das winters vor dem Haus angelegt wird. Mit seiner warmen, goldbraunen Lärchenfassade bildet das Gebäude im Winter einen deutlichen Kontrast zum umgebenden Weiss, im Sommer ergänzt es die Grün- und Brauntöne der Pflanzenwelt harmonisch. Mit seiner klaren, präzisen Form wirkt der Bau modern. Gleichsam erweist er mit seinem Giebeldach, den an den Stirnseiten hinterlüfteten Fassaden aus Lärchenbohlen und den Holztrennwänden, die vor den Zimmern im zweiten Geschoss bis auf die Veranden hinauslaufen, der alpinen Architektur Reverenz.

Tragkonstruktion aus Massivholz

Das Sockelgeschoss aus Beton, das im winterlichen Weiss fast verschwindet, fasst Sanitäranlagen, Infrastruktur für den Gasthausbetrieb sowie Einrichtungen für die Nutzerinnen der Loipen und des Eisfelds vor dem Haus. Im Westen kragt der Sockel in die Landschaft aus und verbindet die Restaurantterrasse via Treppe mit dem Erdboden. Im Parterre der Holzstruktur befindet sich neben dem Empfangsraum und der Küche auch das Restaurant und der Speisesaal des Gasthauses, die sich dank beweglicher Wände zu einem grossen Raum verbinden lassen. Geschosshohe Fenster bieten Ausblicke Richtung Süden zur Loipe und zum Eisfeld.

Im zweiten Geschoss stehen 76 Betten für Übernachtungsgäste bereit. Die 16 Zimmer der Campra Alpine Lodge basieren alle auf demselben Nutzungsmodul, sind aber mit unterschiedlich vielen Betten bestückt. So können grössere Gruppen und Familien ein gemeinsames Zimmer belegen. Zu jedem Zimmer gehört ein Balkon, der Sicht auf die Hochebene oder in den Wald bietet. Im Dachgeschoss befindet sich die Wellnesszone mit Sauna, Dampf- und Sprudelbad sowie einem Ruheraum mit Blick in die Natur.

Da die Tragfähigkeit des Terrains beschränkt ist, musste das Betonfundament zusätzlich mit Mikropfählen verankert werden. Die Korridorwände des Holzbaus, dessen Elemente aus Brettsperrholzplatten (CLT-Platten) bestehen, ergänzen die vertikale Tragkonstruktion; die Zwischenböden sind an den CLT-Platten der Raumwände aufgehängt; und auch in den beiden Treppenhäusern übernehmen CLT-Elemente eine statische Funktion. Das Material Holz überwiegt auch beim Innenausbau und der Möblierung und sorgt für eine behagliche Atmosphäre.

Das Sockelgeschoss aus Beton, das im winterlichen Weiss fast verschwindet, fasst Sanitäranlagen, Infrastruktur für den Gasthausbetrieb sowie Einrichtungen für die Nutzerinnen der Loipen und des Eisfelds vor dem Haus.

Bild: Tonatiuh Ambrosetti

Grundriss EG

Grundriss 1. OG

Grundriss 2.OG

Längschnitt

Querschnitte

Plänen: Durisch+Nolli Architetti Sagl

Nordic-Ski-Zentrum, Campra, 2019

Bauherrschaft: Centro Sci Nordico, Campra
Architektur: Durisch + Nolli Architekten, Massagno
Auftragsart: Wettbewerb, 2012
Bauleitung: AM-T Architettura, Biasca
Vorfabrikation Holz: Veragouth, Bedano
Kosten (BKP): Fr. 8,1 Mio.

Campra Alpine Lodge
Aufgrund der Pandemie sind Restaurant und Bar derzeit nur für Hotelgäste geöffnet.

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