Smallhouse ist kein Einfamilienhaus, sondern ein modernes «Stöckli», ein Ergänzungsbau für die innere Verdichtung von Wohnzonen.

Stefan Graf, Partner, Bauart Architekten und Planer AG

Foto: croci dufresne

Stefan Graf, bezüglich Kleinhäusern ist Bauart ein Pionier. Grad nach der Jahrtausendwende – als noch niemand davon sprach – habt ihr das Smallhouse lanciert. Was war der Anlass dazu? 
Stefan Graf: Um die Jahrtausendwende haben wir uns mit modularen Strukturen im Bildungsbereich beschäftigt. Für die Expo.02 haben wir ausserdem an modularen Unterkünften gearbeitet, die nach der Landesausstellung weiterverwendet werden sollten. Wir dachten uns: Was für Hotels oder Jugendherbergen gut ist, könnte auch im Wohnungsbereich funktionieren. 1999 wurden wir schliesslich angefragt, an der Ausstellung «Touch Wood» in der Berner Elfenau ein Holzmodell eines unserer modularen Produkte im Massstab 1:20 auszustellen. Wir haben uns dann aber entschieden, einen 1:1-Prototyp für ein Kleinstwohnhaus vor Ort aufzurichten – das war der Start für die Entwicklung von smallhouse.ch.

Das Smallhouse wurde nie im grossen Stil nachgefragt. Wart ihr einfach zu früh, oder woran lag das?
SG: Smallhouse war an der Ausstellung ein Erfolg und hat grosses Interesse ausgelöst. Das zweigeschossige Haus mit seinen vier nutzungsneutralen Räumen und den grossen Fenstern traf den Zeitgeist. Wir mussten jedoch rasch erkennen, dass die Interessenten weniger am Produkt interessiert waren, sondern vielmehr an einem günstigen Einfamilienhaus mit Carport, Estrich und Keller. Smallhouse ist jedoch kein Einfamilienhaus, sondern ein modernes «Stöckli», ein Ergänzungsbau für die innere Verdichtung von Wohnzonen. Smallhouse baut man sich in den Garten, wenn plötzlicher Platzbedarf besteht. Ist der Platzbedarf nicht mehr da – etwa, wenn die Kinder ausziehen – nehmen sie ihr Haus einfach mit. Allerdings möchten sich Herr und Frau Schweizer ihre Wohnträume grundsätzlich mit einem individuellen Haus erfüllen und nicht mit einem Produkt wie dem Smallhouse. Bis heute wurde das Smallhouse übrigens rund 50 Mal realisiert. Die Mehrheit der Häuser wurde dabei unter Lizenz durch das deutsche Fertighaus-Unternehmen «Weberhaus» gefertigt.

Hat mit dem Tiny-House-Trend die Nachfrage wieder angezogen?
SG: Smallhouse haben wir von Beginn weg weltweit publiziert. Das Haus wird von den Medien noch immer genannt, wenn es um das Thema Kleinsthäuser geht. Wird das Haus irgendwo publiziert, bekommen wir auch sofort wieder Anfragen.

Minihäuser werden oft als Lösung für den überbordenden Bedarf an Wohnfläche gesehen – sind sie das denn wirklich oder ist das einfach eine schöne Spielerei?
SG: Im Zusammenhang mit der nachhaltigen Entwicklung unserer gebauten Umwelt ist das Thema der Suffizienz entscheidend. Der Pro-Kopf-Verbrauch an Wohnfläche sollte in Zukunft auf unter 30 Quadratmeter pro Person reduziert werden. Grundsätzlich können Kleinstwohnhäuser hier einen Beitrag leisten, sofern die Häuser von mehreren Bewohnern genutzt werden. So gibt es Tiny-House-Siedlungen für Singles, wo es aber wohl mehr um ein neues, trendiges Wohnsegment und weniger um einen Beitrag an eine nachhaltige Wohnfläche pro Kopf geht. Ich bin mir also nicht sicher, ob Tiny Houses grundsätzlich einen Beitrag zu einer klimagerechteren Wohnform leisten. Es kommt ganz darauf an, ob sie in einer verdichteten Form realisiert sind und wie die Bewohnerstruktur aussieht. Was aber sicher positiv ist, ist der Umgang mit dem Abfall auf kleiner Fläche. Da Kleinsthäuser weniger Platz für Besitztum bieten, fördern sie oft einen minimalistischen Lebensstil, der zu einem reduzierten Konsum und weniger Abfall führt. Menschen, die in Kleinsthäusern leben, neigen dazu, bewusster zu konsumieren und Wert auf langlebige, nachhaltige Produkte zu legen.

Wo haben Tiny Houses ihre Berechtigung, und was braucht es, um sie in diesen Bereichen auch realisieren zu können?
SG: Wir vertreten nach wie vor die Meinung, dass Kleinstwohnhäuser vor allem als innere Verdichtungselemente von bereits überbauten Parzellen interessant sein können. Wichtig ist, dass die Ausnutzungsziffer von Wohnzonen diese Verdichtungen erlaubt. Das heisst, wir glauben ans Verdichten und weniger an die Realisierung von Tiny-House-Neubausiedlungen. Interessant wäre ja auch die Debatte um das Thema «Wohnen ohne Land». Warum Kleinstwohnhäuser nicht auf Flachdächern von Industriebauten platzieren?

Gibt es Pläne, das Smallhouse nochmals zu lancieren?
SG:
Aktuell bieten wir das Smallhouse nicht an, weil ein Produzent fehlt. Gerne würden wir das Haus aber komplett neu denken und wieder auf die Einfachheit der Anfangszeit zurückentwickeln. Interessant wäre es, das Smallhouse autark betreiben zu können. Wenn also ein Käufer aufträte, der das Haus zusammen mit uns in eine solche Richtung entwickeln wollte, wären wir sicher gerne bereit, dem Haus zu einem Revival zu verhelfen.

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