Studierende der Architektur an der EPFL haben sich mit hypothetischen Möglichkeiten der Umstrukturierung eines grossen Parkareals auseinandergesetzt, das am Ufer der Rhône, in einem nutzungsgemischten Quartier liegt. Unter den vielen Entwurfsbeiträgen schlägt das Projekt «Entre-deux» ein Ensemble aus neun Modulbauten aus Holz vor, das den Fluss über zwei Dämme hinweg mit der historischen Altstadt von Avignon verbindet.

Aus dem Französischen von Beate Susanne Hanen

[1] Avignon [2] Parking des Italiens [3] Modell [4] Lageplan [5] Grundriss EG [6] Atelier Rhodanie urbaine 2021/22 [7] Detailmodell

[1-2] LAST, N. Sedlatchek [2-4 et 7] C. Hugues, H. Znaidi [6] LAST, O. Wavre

Im Rahmen des zweiten Jahres ihres Architekturstudiums an der EPFL können die Studierenden über ein ganzes Jahr im Entwurfsatelier von Prof. Emmanuel Rey, Leiter des Laboratory of Architecture and Sustainable Technologies (LAST), ein Projekt entwickeln. Der multiskalare Charakter dieser Aufgabe erlaubt ihnen, sich mit der Konzeption eines Projektes vertraut zu machen – vom städtebaulichen Massstab eines Quartiers bis zu jenem der Konstruktionsdetails der Gebäude.

Die Gesamtheit der von den Studierenden in 2021/22 realisierten Projekte schreibt sich ein in eine umfassende, von der LAST initiierte akademische Studie über Potenziale der Regenerierung städtischer, in der Nähe von Flüssen gelegener Gebiete im Hinblick auf ökologischen Übergang. Dieses Programm mit dem Namen «Rhodanie urbaine» beleuchtet die Beziehungen Stadt/Fluss, folgt dabei der Rhône vom Gletscher bis zum Meer und untersucht in Etappen Orte, die sich für eine Reflexion über die vielschichtigen – landschaftlichen, städtebaulichen und architektonischen – Fragestellungen anbieten, um daraus ökologische und nachhaltige Entwicklungspotenziale abzuleiten.


Zoom auf Avignon

Die vierte Etappe des Programms führt über Sion, Genf und Givors nach Avignon. Charline Hugues und Hiba Znaidi, beides Studentinnen des Ateliers, stellten ihr Projekt «Entre-deux» vor. Unter den etwa 15 Vorschlägen, die von etwa dreissig Studierenden zu diesem annähernd zehn Hektar grossen Standort am linken Rhôneufer, im Nordosten des Zentrums von Avignon, entwickelt wurden, ist der Beitrag dieses Paares besonders repräsentativ für eine Konversion eines strategisch wichtigen Ortes. Dieser dient heute in erster Linie als Parkplatz mit über 1500 Plätzen unter freiem Himmel, begrenzt vom Fluss auf der einen, von der historischen Stadtmauer der Altstadt von Avignon auf der anderen Seite. Das Projektziel: die Transformation dieser beinahe ausschliesslich dem Auto gewidmeten Asphaltwüste in ein lebendiges und ökologisches Quartier im Einklang mit dem Fluss. Die unmittelbare Nähe zum historischen Zentrum und eine Anbindung an mögliche Mobilitätsentwicklungen in diesem Bereich der Stadt (P + R an der Autobahnausfahrt, öffentliche Verkehrsnetze, Radwege) bietet künftigen Bewohnern eine bevorzugte Lage.


Nahaufnahme von neun Holzgebäuden auf Betonstützen

Wer an die Rhône denkt, denkt an Hochwasserrisiken. Als Antwort auf diesen wichtigen Aspekt, entschieden sich die beiden Studentinnen für eine Konstruktion auf Stützen. Die Besonderheit dieses Lösungsansatzes reicht dennoch weit über die Vermeidung von Hochwasserrisiken hinaus: Unter den neun Gebäuden sollen wahre Biotope entstehen, die sich der Länge nach zwischen den bestehenden Dämmen erstrecken. Jedes Gebäude folgt in seiner Ausrichtung den Dämmen, liegt mit der Stirnseite jeweils zum Fluss hin und erstreckt sich in Richtung des historischen Damms der Altstadt. Die Gebäude schaffen also wortwörtlich die Verbindung zwischen Fluss und Stadt – wie Passerellen. Vom Fluss aus ist die beeindruckende Dimension dieser subtilen, luftigen Gebäude nicht wahrzunehmen.

Die Gebäude selbst erscheinen, einem modularen Prinzip folgend, in einem Holztragwerk, dessen Raster sich an den Fassaden ablesen lässt. Vorfabrizierte Holzelemente fügen sich ein, bilden querliegende Wohnungen, die in ihrer Typologie – vom Studio bis zur grossen Maisonettewohnung – variieren, oder bilden offene Gemeinschaftsflächen, die eine direkte Verbindung zur umgebenden Natur bieten. Breite Galerien führen mäandrierend um diese geschlossenen und offenen Räume und bieten eine verspielte Wandelfläche zu den Plattformen der einzelnen Etagen. Im Erdgeschoss dienen sie, etwa als Restaurants oder handwerkliche Betriebe, der öffentlichen Nutzung, und verknüpfen auf diese Weise durch ihre funktionale Mischung an diesem Ort Wohnen, wirtschaftliches sowie kulturelles Leben.

Unser Projekt im Rahmen von LAST zu entwickeln, war eine ebenso anregende wie befriedigende Herausforderung. Die multiskalare Pädagogik des Ateliers ermöglicht eine vollständige konzeptuelle Annäherung und macht bewusst, wie wesentlich die Verankerung des Projektes nicht nur in der eigenen Vorstellung, sondern auch in den Anforderungen einer urbanen Realität ist.

Charline Hugues et Hiba Znaidi

Drei Fragen an Charline Hugues und Hiba Znaidi

Was hat Sie zu ihrem Projekt inspiriert?
Unser Entwurf «Entre-deux» inspiriert sich vor allem an den topografischen Einschränkungen des Ortes mit dem Wunsch, dort ein massgeschneidertes Projekt zu entwickeln. Seine ehemalige industrielle Nutzung liess die Vorstellung eines in der Höhe gestalteten Quartiers auf Brückengebäuden reifen, das, auf den beiden Dämmen aufliegend, eine Phytosanierung des Bodens ermöglicht und gleichzeitig dessen urbane und landschaftliche Qualität erforscht.

Welche sind Ihrer Meinung nach die Hauptmerkmale bzw. der Mehrwert, die Ihr Projekt auszeichnen?
Neben der Einbindung in den Ort folgt das dreidimensionale Konstruktionsgitter der Brückengebäude den statischen Anforderungen. Dieses Gitter bildet ein Basismodul, das sich den Bedürfnissen anpasst. Die Aufstelzung ermöglicht also ein «Entre-deux», einen Zwischenbereich auf zwei Ebenen: zwischen dem Gebäude und der üppigen Vegetation und – aufgrund des Gemeinschaftscharakters – zwischen den Bewohnern. 

Was nehmen Sie aus dieser Erfahrung mit?
Unser Projekt im Rahmen von LAST zu entwickeln, war eine ebenso anregende wie befriedigende Herausforderung. Die multiskalare Pädagogik des Ateliers ermöglicht eine vollständige konzeptuelle Annäherung und macht bewusst, wie wesentlich die Verankerung des Projektes nicht nur in der eigenen Vorstellung, sondern auch in den Anforderungen einer urbanen Realität ist. Unsere Zusammenarbeit war eine Verschmelzung von Visionen und somit eine Bereicherung für unser Projekt und unsere Wertvorstellungen als künftige Architekten.

Schlusskritik Entwurfsatelier Rhodanie urbaine 2021/22.

© LAST / O. Wavre

Entwurfsatelier
Ecole polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL)
Laboratoire d’architecture et technologies durables (LAST)
Atelier du Prof. Emmanuel Rey – Du projet urbain au détail constructif

«Rhodanie urbaine – Avignon», 2021/22
Lehrteam:
Prof. Emmanuel Rey, Clément Cattin, Sara Formery, Dr. Martine Laprise, Pascal Michon
Experten:
Pierre Bonnet, Genève, Sandra Maccagnan, Bex
Weitere Informationen siehe:
Forschungs- und Lehrprojekt „Rhodanie urbaine“
Entwurfsatelier, Projekt Avignon Avignon

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