Gomos #1 konnten Summary Architects vor sechs Jahren für einen Bauherrn in der Nähe von Porto erstellen. 2016 präsentierten sie ihr Beton-Modulbausystem prominent an der Biennale di Venezia. Vor Kurzem ist nun in Vale de Cambra in Portugal die erste Gomos-Überbauung fertig geworden.

Hinter den Fassaden verbirgt sich keine Struktur aus Holz, wie wir es hierzulande beim Modulbau meist antreffen, sondern aus Beton.

Foto: Fernando Guerra

Wie Salamischeiben werden die fünf Tranchen des fixfertig ausgebauten, mit Einbaumöbeln ausgestatteten und mit Fassaden versehenen Prototyps Gomos #1 im Werk auseinandergenommen und einzeln auf Lastwagen verladen. Die Dimensionen der einzelnen Tranchen sind genau auf die Ladeflächen der LKWs abgestimmt. Am Zielort Arouca, rund 60 Kilometer von Porto entfernt, wurde zwei Tage vorher eine Plattform erstellt. Darauf werden am dritten Tag die Tranchen wieder zusammengefügt. Nach ein paar Justierungen steht das Haus für seine Bewohner bereit.

Dach und Nordseite des länglichen, 2015 entstandenen Baus sind von einer Fassade aus Natursteinschiefer geschützt. Auf den übrigen Seiten schliessen Glasfassaden das Gebäude ab, davor spannt sich ein grosszügiges Raster aus Holz, das auf der Aussichtsseite zur Laube wird. Hinter den Fassaden verbirgt sich aber keine Struktur aus Holz, wie wir es hierzulande beim Modulbau meist antreffen, sondern aus Beton. Das Projekt wurde 2017 mit dem Red Dot Award ausgezeichnet.

Wir haben Samuel Gonçalves von Summary Architects gefragt, wieso die Wahl auf Beton fiel und nicht auf das, in unseren Augen, umweltfreundlichere Material Holz.

Die Dimensionen der einzelnen Tranchen sind genau auf die Ladeflächen der LKWs abgestimmt.

Fotos: buildingspictures (Montage) und Fernando Guerra

Uns geht es nicht nur ums Ergebnis, sondern auch um einen vereinfachten, effizienten Bauprozess.

Samuel Gonçalves, Summary Architects

Herr Gonçalves, welche Faktoren spielten bei der Materialwahl eine Rolle?

Dass wir für die Gomos-Module Beton gewählt haben, hat vor allem mit der Realität in der portugiesischen Bauindustrie zu tun. Er ist der meistgebrauchte Baustoff in unserem Land. Mein Studio hat schon immer mit vorfabrizierten Modulen gearbeitet. Wir tun das in Zusammenarbeit mit lokalen Industriebetrieben. Deshalb müssen wir uns an sie anpassen und sind beim Entwerfen abhängig von den technischen Möglichkeiten der Betriebe.

Nachhaltig zu bauen, ist in Portugal aber sicher auch ein Thema?

Schon klar: Bauen ist aus Umweltsicht eine der prägendsten Industrien der Welt, und der dabei verwendete Zement spielt eine entscheidende Rolle. Seine Auswirkungen auf die Umwelt ist grösser als die weltweite Fliegerei! Andererseits ist Beton immer noch das verbreitetste und an vielen Orten der Welt das am einfachsten verfügbare Material. In einigen Ländern ist Beton die einzige Möglichkeit, um Mindeststandards punkto Qualität und Dauerhaftigkeit zu erreichen.

Wo sehen Sie Lösungsmöglichkeiten?

Die Betonindustrie zu boykottieren, ist meines Erachtens keine Option. Wir sollten eine andere Richtung einschlagen: das Material besser und umweltfreundlicher machen. Es gibt ja derzeit verschiedene vielversprechende Ansätze, die versuchen, traditionellen Portlandzement zu ersetzen. Wir sollten also neue Lösungen entwickeln, statt das Material zu verteufeln.

Plattform im Ausland, Erfolg zu Hause

An der Biennale di Venezia von 2016, an welcher der Kurator Alejandro Aravena den Blick auf den Rand der Gesellschaft lenkte und sich für eine offene Architektur aussprach, konnten Summary Architects ihr Modulbausystem präsentieren. Sie inszenierten im Arsenale ihren Prototyp als logische Weiterentwicklung eines Kanalrohrs, das weltweit verwendet und ganz selbstverständlich vorfabriziert wird. Ähnlich, so die Idee der Architekten und Aravenas Botschaft, könnten auch ästhetisch ansprechende Hauselemente wie das Gomos-Modul als vorfabrizierte Hauselemente in ärmeren Weltgegenden zur Verfügung stehen und dort eine qualitätsvolle Architektur ermöglichen.

Durch seinen Auftritt an der Biennale erhielt das Büro weltweit viel Aufmerksamkeit. Vorerst feiert das Modulbausystem jedoch in seinem Herkunftsland erste Erfolge. Für eine Überbauung in Vale de Cambra, einem fruchtbaren Tal etwas südlich von Arouca, suchte ein Bauherr eine günstige, schnell umsetzbare und wandelbare Lösung für ein Mixed-Use-Gebäude. Doch anders als bei Gomos #1 bleibt die Struktur unverkleidet und prägt so die Architektur.

Wie etwas aus der Form geratene Schuhschachteln liegen die sechs Gomos-Modulbauten leicht zueinander versetzt auf einem eingeschossigen Betonsockel: Jede Einheit hat einen eigenen Zugang und ist akustisch von den anderen abgetrennt. Die Fenster und Glasfassaden an den kurzen Seiten bringen Licht in den Raum und fassen Ausblicke in die Berglandschaft der Serra da Freita. Der 45 Quadratmeter grosse Grundriss ist offen gestaltet, einzig das Badezimmer ist abgetrennt. Eine Schiebewand teilt das Bett vom Wohnbereich mit Küche ab, der sich über die ganze Länge des Baus zieht. Drei der Häuschen sind fest vermietet, drei bieten kurzfristig Gastraum für Naturfreundinnen und Vorbeireisende. Ein weiteres Geschoss mit Modulen liess die geringe Ausnutzungsziffer des Geländes nicht zu. Auch der frei unterteilbare Sockelbau wurde mit vorfabrizierten Elementen erstellt. Heute teilen sich eine Bäckerei und ein Mehrzweckraum die rund 700 Quadratmeter Fläche.

Vorfabriziert wurden die Module in einem Werk, das nur zehn Kilometer entfernt liegt. Der Transport ist also denkbar kurz. Ein nächstes Gomos-Projekt ist bereits in Arbeit. In Arouca, wo Gomos #1 erbaut wurde, entsteht nahe des Flusses Paiva eine Siedlung aus elf Einheiten, die fürs Wohnen oder touristische Zwecke genutzt werden können.

PROJEKTDATEN
Bausystem Gomos, Vale de Cambra, 2019
Bauherrschaft: privat
Architektur: Summary Architects; Samuel Gonçalves, Inês Vieira Rodrigues (Projektleitung) Gonçalo Vaz de Carvalho, Maria João Freitas

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