Mitte Juni 2020 eröffnete in Adelboden das zweite Hotel Revier der Schweiz. Drei Adelbodner Holzbauunternehmer spannten für den Modulbau zusammen und boten so der internationalen Konkurrenz die Stirn.

Bilder aussen: Revier Hotels; Bilder innen: Markus Lamprecht

Ein Vermerk auf Youtube stachelte Aaron Zurbrügg aus Adelboden an: Das geplante Hotel in seinem Dorf sollte ähnlich wie das «Revier» in der Lenzerheide aus Holzmodulen entstehen – gefertigt in Österreich! «Ich hätte mich bei jedem der 84 Module, das an meinem Betrieb vorbeigefahren wäre, geärgert», sagt der Geschäftsführer des Holz- und Bauunternehmens Künzi + Knutti AG im Rückblick. So trommelte er die Holzbauer aus der Nähe zusammen, um gemeinsam ein Angebot auf die internationale Ausschreibung einzureichen. Ihr schlagendes Argument: Wir sind vor Ort und wir können das auch! Als Arge Holzbau überzeugten sie den Totalunternehmer Baulink aus Davos, der die Garantie übernahm.

Modulbau als Vorgabe

Um preiswert und nachhaltig bauen zu können, war die modulare Bauweise mit Blockholzplatten vorgegeben. Um die Aufgabe zu bewältigen, schlossen sich drei örtliche Holzbaubetriebe zusammen: die Künzi + Knutti AG, die Pieren + Co. AG und die Holzbau Burn AG. Das Produzieren der 76 Hotelzimmer als fixfertige Moduleinheiten war gemäss Zurbrügg nicht das Problem, «aber die Logistik verlangte alles von uns ab!». Die 76 Zimmer in den oberen vier Geschossen des Hotels bestehen aus 84 Modulen. Die einzelnen Module – das kleinste misst 2,61 × 7,37 und ist 2,65 Meter hoch – wurden an zwei Produktionsstandorten vorgefertigt. Die Lagerung der fertigen Kuben erfolgte auf den Parkplätzen der verschiedenen Bergbahnen. 2600 Quadratmeter Platz waren nötig. Festzelte schützten die wohnfertigen Zimmer vor Witterungseinflüssen.

Ein und Aus in der Holzbauhalle

In den Produktionshallen herrschte während vier Monaten ein emsiges Treiben. Bis zu zwölf Holzbaumitarbeiter waren gleichzeitig an den Modulen beschäftigt, die Fenster- und Schreinerarbeiten eingerechnet. Dazu kamen die Kollegen der Haustechnik: Elektriker, Sanitär-, Heizungs- und Lüftungsinstallateure. Aber auch der Bodenleger und die Maler gingen in den Holzbauhallen ein und aus. So entstand ein fixfertiges Hotelzimmer, inklusive Möbel, Toilette, Waschbecken, Handtuchstangen, Teppich und Beschläge. Es fehlten nur noch das Duvet und der Haarföhn. «Modulbau kennen wir vom Küchenbau, so gesehen sind die Zimmer grosse ‹Chuchichäschtli›», sagt Aaron Zurbrügg, der für die Arbeitsgemeinschaft die Projektleiterfunktion übernommen hat. In seiner Werkhalle hat er acht Arbeitsstationen eingerichtet und so eineinhalb Module pro Tag gefertigt. Auf die Stunde genau war getaktet, wann die Blockholzplatten angeliefert werden mussten und wann welcher Handwerker an welcher Arbeitsstation seinen Einsatz hatte. Auch die Reihenfolge der Zimmer war von Bedeutung, damit der Zugriff auf die vier verschiedenen Modultypen am Lagerplatz möglich war. Gelagert wurden sie direkt auf Transportpritschen, die wiederum reserviert werden mussten. Und sogleich eröffnete dies einem weiteren Unternehmer ein Geschäftsfeld: Ein lokaler Transportunternehmer schaffte sich einen neuen Anhänger an, um die Module mit seinem Traktor zum Bauort fahren zu können.

Drei Betriebe teilen sich auf

In der Zimmerei Pieren + Co. AG, nur ein paar hundert Meter weiter das Tal hinaus, sind die zwölf grossen Module entstanden. Der dritte im Bund, die Holzbau Burn AG, konzentrierte sich auf die Fassaden und das Dach. Mitgebaut wurde auch das Mehrfamilienhaus nebenan. Alle drei Unternehmen loben die gute Koordination. Die Schnittstelle zwischen den beiden Zeichnungsprogrammen CAD-Work und Sema war problemlos, so konnten die Arbeitsvorbereiter der Zimmereien unabhängig voneinander im 3D zeichnen. 950 Stunden investierte Künzi + Knutti in die Werkplanung und Arbeitsvorbereitung der Zimmermodule. «Gold wert war das Bauen eines Mustermoduls», sagt Aaron Zurbrügg. Dies war eine Auflage des Totalunternehmers, und er würde das jedem empfehlen.

Die Nasszelle entpuppte sich als Herzstück. Dort laufen alle Gewerke auf engstem Raum zusammen und es zeigt sich, ob alles stimmt und dicht ist. «Nach dem 15. Modul hatten wir es im Griff und die Abläufe waren klar», erzählt Zurbrügg. Auf der Baustelle hat der Kran bis zwölf Module pro Tag versetzt. Nach den vier Untergeschossen entstand der betonierte Treppenhaus- und Liftkern, rundum wurden die bis zu elf Tonnen schweren Räume aufgerichtet. Sie sind nur über die Fassade verbunden, wo im Bereich der Brüstung 22 Zentimeter Steinwolle, eine Gipsfaserplatte, Hinterlüftung, Kreuzlattung und die sichtbare Schalung aus sägeroher Lärche die Fassade verkleiden. Die zehn Zentimeter dicken Zimmerwände aus Blockholzplatten sind durch eine Hohlraumdämmung (15 mm Gips, 40 mm Mineralwolle, 15 mm Gips) voneinander getrennt, unten liegen die Module auf einem Holzrahmen mit Gleitlager, der mit zehn Zentimeter Steinwolle ausisoliert ist. Schallmässig erfüllt das Gebäude mehr als gefordert. Vor Ort schloss man die Leitungen der Haustechnik an, pro Zimmer in einem Schacht, der vom Korridor her zugänglich ist. Die Leitungen waren vorgängig in der Produktion auf Dichtigkeit geprüft worden, denn auch dafür muss die Holzbaugemeinschaft den Kopf hinhalten.

Abschliessend findet Aaron Zurbrügg: «Man macht sich viel zu viele Sorgen, was alles schiefgehen könnte. 80 Prozent der Probleme treffen gar nicht ein. Wenn ein Problem auftritt, muss man aushalten können, dass es eine Weile dauert, bis man die Lösung sieht.» Das macht wohl den unternehmerischen Mut und Erfolg aus.

Diesen Beitrag hat Sue Lüthi für das Verbandsmagazin «Wir Holzbauer» geschrieben; wir publizieren eine gekürzte Fassung davon.

Drei Holzbaufirmen stemmen zusammen die Modulbauarbeiten für das Hotel Revier in Adelboden: (v. l.) Gilgian Schranz von der Pieren + Co. AG, Hansruedi Huggler von der Holzbau Burn AG und Aaron Zurbrügg von der Künzi + Knutti AG.

Modulbau kennen wir vom Küchenbau, so gesehen sind die Zimmer grosse Chuchichäschtli

Aaron Zurbrügg, Künzi + Knutti, Adelboden

Kommentar

Revier zum Zweiten Mit der jungen Schweizer Hotelmarke «Revier» platziert sich die St. Galler Immobilienfirma Fortimo Invest an erlebnisreichen Standorten in Berggebieten oder Städten. Seit 2017 betreibt sie in Lenzerheide das erste Hotel Revier mit einem einfachen Konzept: günstige, schlichte Logierzimmer mit W-Lan und Ausblick in die unberührte Natur. Im untersten Geschoss warten Restaurant und Bar mit gutem Essen und feinen Drinks auf.

Das im Sommer 2020 eröffnete, zweite Hotel Revier liegt mitten im Dorf Adelboden an der Hauptstrasse und besteht aus neun Geschossen, vier davon unterirdisch. Der Gast betritt das Haus im fünften, ebenerdigen Geschoss, wo sich Rezeption und Restaurationsbetrieb befinden. Darüber sind vier Geschosse mit 86 Modulen gestapelt. Vier verschiedene Modulgrössen respektive 2-Bett- und 4-Bett-Zimmer bieten Schlafraum für verliebte Paare, gute Freunde oder ganze Familien. 

Während sich das Hotel in Lenzerheide mit seinem schlanken, leicht geknickten Körper elegant in die Landschaft schmiegt, versucht sich das Gebäude in Adelboden mit Holzcharme und Paralleldach in den traditionellen Dorfkern einzufügen. Angesichts des riesigen Volumens kein einfaches Unterfangen. Ein drittes Revier-Hotel wurde 2021 in Dubai eröffnet. Weitere Hotels sind in Montafon, Österreich (Eröffnung 2022), Neuhausen (Baustart 2022) und Saas Fee (Baustart 2023) geplant. Dass der Erfolg der Hotelmarke auch mit dem gelungenen systematischen Entwurf der modularen Hotelzimmer aus Holz zusammenhängt, die Carlos Martinez Architekten für den Prototyp in Lenzerheide entworfen haben, ist naheliegend. Für die weiteren Revier-Hotels fungiert Fortimo Invest allein als Projektverfasser.

Revier Mountain Lodge, Adelboden, 2020

Bauherrschaft, Investor und Architektur: Fortimo Invest AG, St. Gallen
Totalunternehmer: Baulink, Davos (GR)
Bauingenieur: Joseph Kolb AG, Romanshorn (TG)
Holzbau:
Künzi + Knutti AG (Abt. Bau, Zimmerei, Fensterbau, Schreinerei)
Pieren + Co. AG (Abt. Zimmerei)
Holzbau Burn AG (Abt. Zimmerei, Schreinerei)

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