Rund sechs Jahre sind vergangen, seit Modulart zuletzt über das von Studierenden initiierte Bauprojekt Collegium Academicum in Heidelberg berichtete. Seither sind rund 180 Studierende in den preisgekrönten Holzneubau eingezogen. Zeit für einen erneuten Blick auf das innovative, selbstverwaltete Projekt.
Bilder: Philipp Garschke (Drohne), Uli Hillenbrand (Aussen), Myriam Thuerigen (Innen)
«Wie findet ihr es, dass ihr selbst anpacken müsst, weil es der Staat nicht hinkriegt, genug Wohnraum für Studenten zu schaffen?», fragt Reporter Lutz van der Horst zwei Studierende des Collegium Academicum in Heidelberg. Die beiden sind gerade damit beschäftigt, Bodenplatten in das ehemalige Spitalverwaltungsgebäude zu schleppen, wo sie dann von Handwerkern verlegt werden sollen. In gewohnt van der Horst’scher Manier gibt auch der Heute-Show-Satiriker vor, fleissig mitzuhelfen. Einer der Befragten antwortet belustigt: «Zum einen sch…, denn, hallo!, wir hätten auch Besseres zu tun. Zum andern wird das Haus so weniger teuer, und zuletzt auch unsere Mieten.»
Das macht Hoffnung, an unserer kleinen Utopie festzuhalten.
Was lange währt, wird …
Im Spätsommer 2023, als diese Szene für die ZDF-Sendung entsteht, leben bereits seit einigen Monaten rund 180 Studierenden im neu gebauten Haupthaus des Collegiums, direkt neben der früheren Spitalverwaltung, die aktuell zu einem weiteren Studentenwohnbau umgenutzt wird. Ursprünglich war geplant, den Neubau bis 2020 fertigzustellen. Doch allein der Kauf des Grundstücks verzögerte sich bis Mitte 2019. Im Jahr darauf konnten zwar die ersten Bauarbeiten beginnen, doch weitere Herausforderungen wie die Pandemie und damit Lieferengpässe kamen dazu. Aufreibend sei auch die Abstimmung zwischen Holzhochbau und betoniertem Laubengang gewesen, berichtet Christiane Brenner, einer der heutigen Bewohnerinnen und Mitglied der PR-Arbeitsgruppe. «Ausserdem war es gar nicht so leicht, die Eigenleistung zu bewerkstelligen und die Gewerke zu koordinieren.»
… eine Erfolgsgeschichte
Doch nun steht der viergeschossige Blockrandbau da. Auskragende Brandschutzriegel aus Blech gliedern ihn auf der Strassenseite, Holzschiebeläden, die mal offen, mal geschlossen sind, weichen das starre Raster auf. Im Innenhof präsentiert sich das Ensemble mit umlaufenden Laubengängen aus Beton und einer Blechverkleidung. In einem eingeschossigen Flachbau im Innenhof sowie im Erdgeschoss der angrenzenden Gebäude befinden sich das Auditorium, eine Werkstatt und ein Multifunktionsraum mit Küche. Die restliche Fläche der beiden viergeschossigen Gebäude – ein Punkt- und ein l-förmiger Bau – ist der Wohnnutzung vorbehalten: verteilt auf 46 Wohneinheiten. Diese sind aktuell als Dreier- und Vierer-WGs organisiert, lassen sich aber umkonfigurieren, da sie auf einem einheitlichen, quadratischen Stützen- und Ausbauraster basieren. Die Trennwände, die die angehenden Bewohnerinnen und Bewohner gemäss Plänen der Architekten in der hauseigenen Werkstatt selbst anfertigten, können mit wenig Aufwand versetzt werden: Sie sind mit form- und kraftschlüssigen Zimmermannsverbindungen zusammengefügt, ganz ohne metallische Verbindungen.
Zimmermannsverbindungen ohne metallische Komponenten.
Bilder: DGJ Architektur GmbH
In jeder Wohnung befindet sich die Gemeinschaftsfläche in der Mitte, die darum herum gruppierten Individualräume bestehen jeweils aus zwei Bereichen mit je sieben Quadratmetern Fläche: eine räumlich geschlossene Kernzone und eine offene Zone, die je nach Vorliebe der Bewohnerin komplett offen bleibt, durch Raumteiler (Tisch, Regal) teilweise oder mittels Trennwand komplett abgetrennt wird. Mit einem 1:1-Modell eines solchen Zimmers begann vor mehr als sieben Jahren die Erfolgsgeschichte dieses Projekts.
Denn eine Erfolgsgeschichte ist es: Bereits seit drei Jahren wohnen die Studierenden des Collegiums nun selbstverwaltet zusammen. «Und es funktioniert gut», sagt Christiane Brenner. Gerade beim letzten Einzugstermin im Oktober 2025 seien wieder einige sehr motivierte neue Bewohnende eingezogen. «Das macht Hoffnung, an unserer kleinen Utopie festzuhalten.» Ein langfristiges Thema sei aber weiterhin die Suche nach private Direktkrediten, da immer mal wieder bestehende Kredite auslaufen. Denn den 16-Millionen-Bau hatten neben Fördermitteln und der Bankfinanzierung auch viele kleine, private Direktkredite möglich gemacht.
Eine Erfolgsgeschichte ist es auch, weil das Ensemble seit seiner Fertigstellung mit bisher mehr als zehn Preisen ausgezeichnet wurde, die abwechselnd den Holzbau, die Nachhaltigkeit oder den Prozess würdigen. Der jüngste Preis, den das Collegium Academicum gewonnen hat, freut Christiane Brenner und ihr Team besonders. «Der war schon sehr besonders. Im September 2025 wurden wir mit dem New European Bauhaus Award 2025 in der Kategorie ‹affordable housing› ausgezeichnet, der von der Europäischen Union vergeben wird.» Auch dieser Preis ist hochverdient, kostet doch ein Zimmer im Neubau 375 Euro pro Monat, inkl. Strom, Internet und Mitbenutzung der gemeinschaftlichen Räume.
Erdgeschoss und Regelgeschoss.
Pläne: DGJ Architektur GmbH
Projektinformationen
Neubau Collegium Academicum, 2023
Marie-Clauss-Strasse 3, Heidelsberg
Bauherrschaft: Collegium Academicum GmbH, Heidelberg
Architektur: DGJ Architektur GmbH, Frankfurt a. M.
Energiekonzept: Plus-Energie-Haus mit Photovoltaik auf dem Dach (180,4 kWp) und Batteriespeicher (138,6kWh), deckt bilanziell 100% des eigenen Strombedarfs; geringe Wärmeverluste dank dichter Gebäudehülle (Passivhaus); Fernwärmeheizung nur an wenigen Tagen im Jahr notwendig.
Fakten:
Pro-Kopf-Wohnfläche: 23 m2 (inkl. Aula: 26 m2)
CO₂-Emissionen des fertiggestellten Gebäudes: 20,2 kg/(m²NRF*a))
Primärenergiebedarf:
– L-Körper: 14kWh/m²a
– Punktbau: 11,9 kWh/m²a
– Aula: 87,4kWh/m²a
Energie-Effizienzklasse:
– L-Körper: A (38,8kWh/m²a)
– Punktbau: A (37,3 kWh/m²a)
Weiterführende Informationen: collegiumacademicum.de
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