Unterhalb des Gipfels der 2908 Meter hohen Dormillouse an der italienisch-französischen Grenze thront seit 2019 das «Bivacco Matteo Corradini». Andrea Cassi und Michele Versaci haben das spektakuläre Biwak als abstraktes, aus Holztafelelementen vorgefertigtes Volumen ganz in Schwarz gestaltet.

Das «Bivacco Matteo Corradini» bietet Schutz und spekakuläre Natur zugleich, und das im Sommer und im Winter.

Bilder: Andrea Cassi, Michele Versaci

Mit seinem Namen erinnert der Unterschlupf an einen tödlich verunglückten Bergsteiger, gestiftet wurde er zu seiner Erinnerung von dessen Familie. Für den Neubau haben die beiden italienischen Architekten Andrea Cassi und Michele Versaci als Bezugspunkt einen sogenannten Planck’schen Strahler gewählt; einen perfekten Strahlungsabsorber, der sämtliche Strahlung aufnimmt und in Wärme umwandelt. Passend dazu haben sie die Aussenwände und das Dach des Biwaks komplett in eine schwarze Stehfalzdeckung gehüllt. In der Physik ist ein schwarzer Körper bekanntlich ein ideales Objekt, das die Energie vollständig absorbiert und sie in die Umgebung zurückstrahlt. So präsentiert sich das «Bivacco Matteo Corradini», das auf einem kleinen Pass gleich unterhalb der letzten Hänge in Gipfelnähe liegt, als ein schwarzes Prisma mit einem sechseckigen Profil, perfekt eingebettet in die atemberaubende hochalpine Landschaft. Spannend an ihm ist aber nicht nur seine Lage und die Metallhülle, die es vor den extremen Wetterbedingungen in der Höhe schützt und die hohe Sonneneinstrahlung absorbiert – spannend sind auch die beiden grossen Fensteröffnungen an den beiden Gebäudeenden, die weite Ausblicke auf das eindrückliche Bergpanorama bieten.

Einer hölzernen Wiege nachempfunden

Die Hülle des Biwaks schützt einen kleinen Raum, der sechs Personen Platz bietet. Er besteht aus Zirbelkiefer, also genau dem Holz, das in der alpinen Tradition zur Herstellung von Wiegen und Schlafzimmerverkleidungen verwendet wird. Dieses Holz haben die Architekten übrigens auch wegen seines besonderen Duftes und seiner einfachen Verarbeitungsmöglichkeiten ausgewählt.

Die Hülle des Biwaks schützt einen kleinen Raum, der sechs Personen Platz bietet. Das Material Zirbelkieferholz haben die Architekten wegen seines besonderen Dufts und seiner einfachen Verarbeitungsmöglichkeiten ausgewählt.


Das Innere des Biwaks ist sehr schlicht gehalten – es wird von einem System von Holzstufen beherrscht, die sich an den beiden kurzen Seiten des Gebäudes um einen zentralen Tisch herum entwickeln. Die sechs Holzstufen, drei auf jeder Seite, werden in der Nacht zu Betten, während sie tagsüber perfekte kleine Sitzplatzrampen sind, von denen aus man durch die beiden grossen Fenster in die Bergwelt hinaussperbern kann. Die Fenster öffnen sich dabei an den kurzen Seiten wie Fernrohre und blicken gegen Norden auf das Val Thuras, während sich im Süden das Ecrins-Massiv zeigt.

Eine leichte und umweltfreundliche Installation

Das Volumen ruht mit einem Viertel seiner unteren Fläche auf dem Berghang – dies, um sich dem Gefälle anzupassen und gleichzeitig den Bodenverbrauch zu begrenzen. Cassi und Versaci war nicht nur die Umweltverträglichkeit des Projekts sehr wichtig, sondern insbesondere auch dessen Reversibilität. Aus diesen beiden Gründen haben sie bei ihrer Planung von Anfang auf eine ausgesprochen leichte und umweltfreundliche Installation gesetzt. Das Biwak besteht aus vorgefertigten Holzelementen, was eine sehr rasche Installation ermöglichte. Und zwar wurden die Module ganz einfach per Hubschrauber auf den Berg transportiert und dann auf der Baustelle wieder zusammengebaut. Die Optimierung der Gewichte und Formen machte die Montage in der grossen Höhe nicht nur zu einem einfachen Unterfangen, sondern minimierte vor allem auch die Anzahl kostspieliger Flüge. Gedacht ist das Biwak, das auf dem kleinen Pass, einem landschaftlich höchst reizvollen Punkt, fast skulptural wirkt, vor allem für eine Nutzung im Winter und im Frühling – das Val Thuras und das Dormillouse sind speziell bei Skitourenfahrerinnen und Wanderern sehr beliebt. Es überrascht nicht, dass diese Notunterkunft bei diesem Publikum sofort sehr positiv aufgenommen wurde.

Schema, Schnitt und Grundriss des Biwaks.

Pläne: Andrea Cassi, Michele Versaci

Bivacco Matteo Corradini, 2019

Bauherrschaft: Paolo Corradini
Architektur: Andrea Cassi, Michele Versaci
Hüttentyp: Biwak
Höhe: 2850 m.ü.M.

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